Conti-Ableger Aumovio an der Börse mit 3,5 Mrd Euro bewertet

– von Ilona Wissenbach und Alexander Hübner

Frankfurt (Reuters) – Der von Continental abgespaltene Autozulieferer Aumovio ist mit einem Börsenwert von 3,5 Milliarden Euro in die Selbstständigkeit gestartet.

Der erste Kurs wurde am Donnerstag an der Frankfurter Börse mit 35 Euro festgestellt und bröckelte danach etwas ab. Conti-Aktionäre hatten automatisch für je zwei ihrer Papiere zusätzlich eine Aumovio-Aktie in ihr Depot gebucht bekommen. Continental wurden zunächst mit 56,70 Euro gehandelt; am Mittwoch, dem letzten Handelstag vor der Abspaltung, hatten sie bei 72,98 Euro geschlossen. Für die Aktionäre hat sich die Abspaltung damit gelohnt: Der Wert ihres Portfolios hat sich um 1,7 Prozent erhöht.

“Ich würde es nicht Befreiungsschlag nennen”, sagte Aumovio-Chef Philipp von Hirschheydt der Nachrichtenagentur Reuters zum Börsenstart. “Aber es ist für uns eine Riesenchance, unser Schicksal in die eigene Hand zu nehmen.” Der Vorstand könne sich nun ganz auf das Geschäft mit der Autoindustrie konzentrieren. Aumovio müsse eines der effizientesten Unternehmen der Branche werden: “Wir müssen zusehen, dass wir wirklich wettbewerbsfähig sind.”

Aumovio ist in diesem Jahr der erste Börsenneuling im streng regulierten Prime Standard in Deutschland. Für einen Tag ist die Aktie des Frankfurter Unternehmens wie der Mutterkonzern Continental im Leitindex Dax notiert. Das ist bei Abspaltungen üblich, unter anderem um Index-Investoren die Chance zu geben, die ins Depot gebuchten Aktien wieder geregelt zu verkaufen. Mit dem anfänglichen Börsenwert wäre Aumovio ein Kandidat für den Nebenwerteindex MDax.

Der Hersteller von Bremsen und Sicherheitssystemen, Fahrzeug-Software, Displays und Elektronik war bisher das größte Geschäftsfeld von Continental. Der Konzern aus Hannover wird zum reinen Reifenproduzenten, wenn er auch die zum Verkauf stehende Sparte ContiTech losgeworden ist. Damit wird Conti profitabler, denn das Reifengeschäft ist mit 13 Prozent Marge die Ertragsperle.

In der Autozulieferung schrieb Continental dagegen unter dem Strich seit Jahren Verlust. Aumovio-Chef von Hirschheydt peilt langfristig eine operative Rendite von sechs bis acht Prozent an. Im vergangenen Jahr waren es 2,5 Prozent bei 19,6 Milliarden Euro Umsatz. Die Zielmarke für den Umsatz liegt auf längere Sicht bei mehr als 24 Milliarden Euro. Das Ergebnis sei “noch ausbaufähig”, räumte er auf dem Frankfurter Parkett ein. Das Unternehmen müsse sich weiter verschlanken und weitere Werke schließen.

Zulieferer wie Autobauer stecken in der Krise: durch eine schwache Nachfrage in Europa, den harten Konkurrenzkampf in China und hohe Importzölle der USA. Außerdem belasten die milliardenschweren Investitionen in Elektromobilität. Sie rechnen sich noch nicht, weil der Umstieg auf Elektroautos langsamer geht als erwartet. Conti hat bereits eine Rosskur mit dem Abbau tausender Arbeitsplätze durchlaufen.

Aumovio zählt mehr als 86.000 Beschäftigte an über 100 Standorten in 25 Ländern weltweit. Vor fünf Jahren waren es bei Continental Automotive noch mehr als 100.000. Als Mitgift bekam Aumovio von Continental 1,5 Milliarden Euro Barmittel und musste, abgesehen von Pensions- und Leasingverbindlichkeiten, keine Finanzschulden übernehmen. Ein Risikofaktor sind aber die Folgen des Qualitätsproblems mit einem Bremssystem, das an BMW geliefert wurde. Der Autobauer könnte wegen kostspieliger Rückrufe und Lieferstopps hohen Schadenersatz fordern.

(Bericht von Ilona Wissenbach und Alexander Hübner. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)

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