Designierte Bahn-Chefin bremst Erwartung – “Nichts wird schnell gehen”

– von Christian Krämer und Klaus Lauer

Berlin (Reuters) – Die Bundesregierung will die kriselnde Deutsche Bahn mit neuem Personal an der Spitze und anderer Struktur fit für die Zukunft machen.

Neue Vorstandsvorsitzende soll die bisher für den Regionalverkehr zuständige Bahn-Managerin Evelyn Palla werden, sagte Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) am Montag in Berlin. “Wir brauchen einen Neuanfang.” Personell, strukturell und inhaltlich. Die gebürtige Südtirolerin ist nach 190 Jahren Bahngeschichte die erste Frau an der Spitze und soll den bisherigen Bahnchef Richard Lutz ablösen. Die 51-Jährige betonte, die Bahn müsse sich verändern sowie schneller, mutiger und klarer werden. “Sie muss besser werden – in allen Bereichen.” Dennoch werde der Neustart Zeit brauchen. “Nichts wird schnell gehen.”

PALLA: “AB SOFORT GILT: QUALITÄT IST CHEFINNENSACHE”

Die Kehrtwende beim Staatsbetrieb sei ein Marathon, kein Sprint, sagte Palla. Sie soll vom Bahn-Aufsichtsrat am Dienstag als Vorstandschefin bestellt werden. Der Kunde müsse ins Zentrum rücken und der Fokus liege künftig wieder auf dem Kerngeschäft. “Ab sofort gilt: Qualität ist Chefinnensache”, betonte Palla. “Wir räumen auf.” Man werde Bürokratie, Doppelstrukturen und unnötige Beteiligungen abbauen. Die Bahn hat über 200 Beteiligungen im In- und Ausland.

Der scheidende Bahn-Chef Lutz hatte die notorischen Probleme der Bahn – Unpünktlichkeit, Verluste, Kundenunzufriedenheit – nicht in den Griff bekommen. Hier liegt vor Palla eine Herkulesaufgabe. Denn Schnieder machte deutlich, die Bahn müsse pünktlich, sicher und sauber sein: “Der Konzern muss schneller, schlanker, wirtschaftlicher werden.”

Der Minister würdigte Palla als beste Kandidatin, die zudem die Bahn von innen und außen gut kenne. Palla arbeitete ab 2011 bei den Österreichischen Bundesbahnen in Wien. Dort war sie ab 2015 als Vorstand der ÖBB Personenverkehr AG für den Regionalverkehr zuständig. Im Februar 2019 kam sie zur Deutschen Bahn und trat ihre neue Funktion als Finanzvorstand der DB Fernverkehr AG an. Im Juli 2022 wurde sie Vorstand für Regionalverkehr der Bahn und damit Chefin von DB Regio.

Neuer Chef der Infrastruktur-Tochter DB InfraGO soll Dirk Rompf werden, der Erfahrung bei Beratungsfirmen und der Bahn hat. Beide Top-Personalien müssen am Dienstag noch im Aufsichtsrat abgesegnet werden. Das gilt bei Rompf nicht als ausgemachte Sache. Im Umfeld der Eisenbahngewerkschaft EVG hieß es, der Widerstand gegen das Personalpaket sei groß, vor allem wegen Rompf. Er sei lange im Bahn-Konzern gewesen und auch verantwortlich für das Kaputtsparen der Infrastruktur. Palla habe Rompf nicht ausgesucht. Schnieder sagte, Palla müsse nach ihrem Antritt auch rasch den vakanten Posten des Bahn-Finanzchefs besetzen.

2029 NUR PÜNKTLICHKEIT VON MINDESTENS 70 PROZENT ANGEPEILT

Die Bahn wird auf Jahre nicht so pünktlich sein wie viele Wettbewerber im Ausland. Im Fernverkehr werde bis 2029 eine Pünktlichkeitsquote von mindestens 70 Prozent angestrebt, sagte Schnieder. Dies sei realistisch. Mittelfristig sollten es 80 Prozent sein, langfristig 90 Prozent. “Das ist ein ganz, ganz weiter Weg”, räumte der CDU-Politiker ein. Damit wäre die Bahn auf Augenhöhe etwa mit dem Zugverkehr in Österreich oder den Niederlanden. Im Nahverkehr soll die Pünktlichkeit dauerhaft bei 90 Prozent liegen. Aktuell sind nicht einmal 60 Prozent der Fernzüge pünktlich, im Nahverkehr sind es rund 90 Prozent. Bisher hatte die Bahn bis 2027 eine Pünktlichkeit von 75 bis 80 Prozent angepeilt. Palla sieht die Schweiz hier als Vorbild, wo nach Branchen-Angaben rund 99 Prozent der Züge pünktlich fahren.

Hauptansatzpunkt des Ministers ist die Sanierung des Schienennetzes – mit Mitteln aus dem 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögen für die Infrastruktur. In die Digitalisierung sollen bis 2029 allein zehn Milliarden Euro fließen. Bis Ende 2026 soll ein Plan der Infrastruktur-Tochter DB InfraGO vorliegen, wie das Netz digitalisiert werden kann.

Schnieders Strategie zur Bahnreform ist absehbar kein Konzept der gesamten schwarz-roten Regierung. “Papiere sind der Anfang”, sagte der CDU-Politiker. Er ließ offen, wann die Strategie ins Kabinett kommen soll, also auch vom Koalitionspartner mitgetragen werden wird.

Erste Signale der SPD waren jedoch positiv. Isabel Cademartori, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, sprach von einem guten Auftakt für die Wende bei der DB. “Die starke Konzentration auf die Kundinnen und Kunden ist das richtige Signal.” Pünktlichkeit und Komfort müssten spürbar besser werden. Das Bonus-System für das Top-Management müsse so umgestellt werden, dass nur tatsächliche Fortschritte auch zusätzlich belohnt würden.

Die DB-Sparten Fernverkehr und Regionalverkehr sollen spätestens Ende 2028 dauerhaft profitabel sein, der Güterverkehr bereits ab 2026. “Die Sanierungsmaßnahmen der DB Cargo AG sind fortzusetzen und gegebenenfalls zu intensivieren”, heißt es in der 30 Seiten starken Strategie des Ministers zur Bahn-Reform. Für die Kunden will Schnieder Bahnhöfe sicherer und sauberer machen. Die Kommunikation mit den Kunden soll bis spätestens 2027 verbessert und der Komfort in den Zügen erhöht werden.

Bei der Bahn-Holding wird das Infrastruktur-Ressort gestrichen. Das Technik-Ressort wird ebenfalls aufgelöst, dessen Aufgaben verteilt. Bei der InfraGO werden im Ressort “Bauen und Großprojekte” die wichtigsten Sanierungen im Schienennetz gebündelt. Die Gewinne der gemeinwohlorientierten DB InfraGO sollen nur der sanierungsbedürftigen Infrastruktur zugutekommen und keine anderen Bereiche im DB-Konzern quersubventionieren. Die Gewinne sollen transparent dargestellt sowie der Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag überprüft werden.

(Redigiert von Kerstin Dörr – Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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