Unions-Fraktion kritisiert “Verschiebebahnhof” bei Verkehrsausgaben

Berlin (Reuters) – In der CDU/CSU wächst der Unmut über das geplante Vorgehen bei der Finanzierung der Verkehrsausgaben ab 2026.

“Es handelt sich vor allem um einen Verschiebebahnhof”, kritisieren mehrere Bundestagsabgeordnete gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Sie werfen der Regierung vor, dass sie einen erheblichen Teil der Mittel, die über die neue Kreditlinie von 500 Milliarden Euro zur Verfügung stehen, im normalen Bundeshaushalt dafür eingespart würden. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Steffen Bilger, forderte zudem am Dienstag, dass alle baureifen Verkehrsprojekte finanziert werden müssten – unabhängig davon, ob es sich um Neubauten oder Reparaturen im Bestand wie Brückensanierungen handele.

Vergangene Woche war der Streit zwischen Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) und Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) über zwei Fragen eskaliert. Einmal geht es um die Definition, was die Formulierung “Bestand vor Neubau” im Koalitionsvertrag heißt. Zudem ist umstritten, wie man die Formulierung der “Zusätzlichkeit” für die Schuldenaufnahme von 500 Milliarden Euro auffasst. Die Unionsfraktion übernimmt mit ihrer Kritik zum Teil einen Vorwurf der oppositionellen Grünen. Diese hatten der Bundesregierung Mitte August vorgeworfen, statt der jährlich 25 Milliarden Euro nur fünf Milliarden zusätzlich in die Verkehrsinfrastruktur zu stecken.

Die Bundesländer hatten in den vergangenen Wochen gegenüber der Regierung darauf gedrungen, dass auch bereits geplante oder begonnene Projekte aus dem Sondervermögen finanziert werden dürfen. Sie machen hinter den Kulissen jetzt auch Druck, dass der Bund die von ihnen geplanten Verkehrs-Neubauten finanziert.

“Die Entscheidung der Bundesregierung, sämtliche Neubauprojekte im Bereich der Straßeninfrastruktur in Norddeutschland zu streichen, ist für uns inakzeptabel”, kritisierten etwa die Vorsitzenden der norddeutschen CDU-Fraktionen Wiebke Winter (Bremen), Dennis Thering (Hamburg), Daniel Peters (Mecklenburg-Vorpommern) und Tobias Koch (Schleswig-Holstein) in einer gemeinsamen Erklärung.

In der CDU/CSU-Fraktionssitzung am Montag hatte Kanzler Friedrich Merz (CDU) betont, dass er eine größtmögliche Flexibilierung beim Einsatz des Sondervermögens will – es müssten also auch Neubauten finanziert werden. Man könne angesichts der Schuldenaufnahme von 500 Milliarden Euro niemandem erklären, dass Projekte, die baureif sind, nicht finanziert werden könnten, sagte nun der Parlamentarische Geschäftsführer Bilger. “Deswegen ist unsere klare Überzeugung: Wir müssen sicherstellen, dass die Projekte, die baureif sind … dann auch die Finanzierung bekommen müssen.” Es gebe verschiedene Wege, dies sicherzustellen, fügte er mit Blick auf die Haushaltsberatungen 2026 sowie das Sondervermögen Infrastruktur hinzu. Das werde man nun in der schwarz-roten Koalition mit der SPD besprechen.

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Dirk Wiese, erklärte, man habe mehr Investitionen von 166 Milliarden Euro bis 2029 im Verkehrsbereich vereinbart. Der Grundsatz “Erhalt vor Neubau” heiße natürlich nicht, dass sämtliche Projekte, die sich im Bundesverkehrswegeplan befinden, jetzt nicht mehr umgesetzt würden. Es sei aber Aufgabe auch des Bundesverkehrsministers, für eine Priorisierung zu sorgen und gleichzeitig klarzustellen, wo die Baureife schon erreicht sei.

Der CDU-Politiker Bilger räumte ein, dass nun der Effekt eintreten könne, dass mehr Geld in Bundesländer fließe, die bereits viele Projekte baureif geplant haben als in andere Bundesländer, die dort zurückhaltender waren. Dies hatte schon in den Jahren vor allem unter CSU-Verkehrsministern dazu geführt, dass mehr Bundesmittel nach Bayern flossen. Die Gefahr einer Schieflage werde aber dadurch abgemildert, dass der Bund nun anders als früher komplett für die Autobahnen in Deutschland zuständig sei und der Schwerpunkt der Investitionen im Bereich der Autobahnen liege, betonte Bilger.

(Bericht von Andreas Rinke, Markus Wacket; Redigiert von Christian Rüttger; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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