Berlin (Reuters) – Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich überraschend eingetrübt und damit der erhofften Konjunkturerholung einen Dämpfer versetzt.
Der Ifo-Geschäftsklimaindex sank im September auf 87,7 Zähler, nach 88,9 Punkten im August, wie das Münchner Ifo-Institut am Mittwoch zu seiner Umfrage unter rund 9000 Führungskräften mitteilte. Es war der erste Rückgang nach einer Serie von sechs Anstiegen des an den Finanzmärkten stark beachteten Frühindikators. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten hingegen für September mit einem Anstieg auf 89,3 gerechnet. Die Unternehmen waren jedoch weniger zufrieden mit den laufenden Geschäften. Zudem trübten sich die Erwartungen merklich ein. “Der erhoffte Aufschwung legt eine Pause ein”, sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe der Nachrichtenagentur Reuters.
Der Index signalisiere die Enttäuschung der Unternehmen: “Die Politik liefert nicht”, erklärte der Ifo-Umfragechef. Der deutschen Wirtschaft fehle es an Eigendynamik. Ohne Strukturreformen gebe es keine echte Erholung: “Auf unserer glorreichen wirtschaftlichen Vergangenheit kann man keinen neuen Aufschwung aufbauen”, sagte Wohlrabe.
“DEUTLICHER STIMMUNGSUMSCHWUNG NÖTIG”
Der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger, verweist darauf, dass die aktuelle Geschäftslage so schlecht ist wie zu Zeiten der Finanzkrise und Corona-Pandemie. “Um Wachstumsperspektiven nachhaltig zu steigern, braucht es einen deutlichen Stimmungsumschwung. Wo der herkommen soll, zeichnet sich derzeit allerdings nicht ab.”
Das Ifo-Institut erwartet jedoch, dass die Wirtschaft im laufenden Sommerquartal und auch in den letzten drei Monaten des Jahres leicht wachsen wird – und zwar um jeweils 0,2 Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt war im zweiten Quartal um 0,3 Prozent geschrumpft.
Die Aussichten für das Gesamtjahr sind mau: Die führenden Forschungsinstitute sagen der deutschen Wirtschaft Insidern zufolge in diesem Jahr nur ein Mini-Wachstum voraus. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde voraussichtlich um 0,2 Prozent zulegen, wie Reuters von mehreren mit der Sache vertrauten Personen erfuhr. Im nächsten Jahr sollte es dank mehr staatlicher Ausgaben aus dem Infrastrukturprogramm spürbar stärker bergauf gehen – mit einem BIP-Anstieg von 1,3 Prozent und 2027 mit plus 1,4 Prozent. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil hat für das Jahr 2026 Rekordinvestitionen von 126,7 Milliarden Euro angekündigt. Damit wolle die Regierung für mehr Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und sichere Arbeitsplätze sorgen.
(Bericht von Reinhard Becker, Klaus Lauer, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)