Forscherin: “US-Zollpolitik wirft weiter lange Schatten auf die Weltwirtschaft”

Berlin (Reuters) – Die aggressive Handelspolitik der USA droht aus Sicht der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute ein Bremsklotz für die globale Konjunktur zu werden.

“Die US-Zollpolitik wirft im Herbst 2025 weiter lange Schatten auf die Weltwirtschaft”, sagte die Ökonomin Hannah Seidl vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) bei der Vorstellung des Herbstgutachtens der Institute am Donnerstag. Inzwischen hätten zwar zahlreiche Länder und auch die EU Handelsvereinbarungen mit den USA getroffen. Diese Abkommen gäben dem internationalen Handel den Rahmen und vergrößerten so die Planungssicherheit: “Gleichzeitig verfestigen sie jedoch ein hohes Zollniveau”, konstatierte Seidl. Der effektive Zollsatz auf US-Importe liege derzeit um mehr als zehn Prozentpunkte über dem Wert von 2024.

Trotz dieser Belastung habe sich die Weltkonjunktur bislang robust gezeigt: “Wesentlicher Grund dafür war, dass Importe in Erwartung höherer Zölle vorgezogen wurden. Diese Vorzieheffekte haben im ersten Halbjahr den Welthandel und die globale Industrieproduktion gestützt”, erläuterte die Ökonomin.

In den kommenden Monaten dürften demnach die Sondereffekte aus dem ersten Halbjahr auslaufen, die aus Handelsumleitungen und vorzeitigen Lieferungen zum Umgehen der Zölle resultierten. Dies bedeute, dass die US-Zölle Handel und Produktion zunehmend belasten dürften.

AUFWERTUNG DES EURO LASTET AUF EXPORT

Die deutschen Exporte könnten laut Prognose der Institute im dritten Quartal nahezu stagnieren (0,1 Prozent). Die Institute verweisen darauf, dass sich die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe aus dem Ausland stabilisiert haben. “Einer deutlichen Ausweitung der Warenexporte stehen die zunehmenden Belastungen des Welthandels durch die US-Zollpolitik sowie die merkliche Aufwertung des Euro entgegen”, heißt es in dem Herbstgutachten.

Für den weiteren Verlauf erwarten die Institute trotz der zuletzt leicht verbesserten Auslandsnachfrage nach Industriewaren nur eine gedämpfte Expansion der Exporte, da die höheren US-Zölle weiterhin belastend wirkten.

Hinzu komme die verschlechterte Wettbewerbsposition deutscher Hersteller und die zunehmende Konkurrenz aus China, die die deutschen Ausfuhren nur unterdurchschnittlich von der Entwicklung der Weltkonjunktur profitieren ließen. Alles in allem prognostizieren die Institute für das laufende Jahr eine Stagnation der Ausfuhren und für die beiden kommenden Jahre eine Expansion um 1,5 beziehungsweise 1,7 Prozent.

(Bericht von Reinhard Becker, Mitarbeit Christian Krämer, redigiert von Elke Ahlswede. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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