Ifo: Zustimmung zu Staatsverschuldung steigt – wenn man von “Krediten” spricht

Berlin (Reuters) – Wenn von Krediten statt von Schulden die Rede ist, erhöht das laut Ifo-Studie die Zustimmung der Bevölkerung zu neuen Staatsschulden um elf Prozent.

Ebenso erhöht sich die Bereitschaft der privaten Haushalte in Deutschland, sich selbst zu verschulden, um 18 Prozent. Dies zeigt eine Analyse des Münchner Ifo-Instituts, die den Einfluss von Sprache auf Einstellungen zu privater und öffentlicher Verschuldung und wirtschaftlichen Entscheidungen in verschiedenen Sprachräumen untersucht. “Das Wort Schuld hat in der deutschen Sprache sowohl eine finanzielle als auch eine moralische Bedeutung und wird daher negativer wahrgenommen als der neutrale Begriff Kredit”, sagte Ifo-Forscher Mathias Dolls. “Unsere Ergebnisse legen nahe, dass unterschiedliche Verschuldungsniveaus zwischen Ländern teilweise durch sprachliche Besonderheiten geprägt sind.”

Ähnliche Tendenzen zeigen die Ergebnisse für die deutschsprachige Schweiz. Die Zustimmung zu neuer Staatsverschuldung steigt demnach um 39 Prozent, wenn von Krediten die Rede ist, statt von Schulden. “In der Studie verzichten die Teilnehmenden außerdem freiwillig auf einen Geldgewinn, wenn dieser mit einer Aufnahme von Schulden verbunden ist”, sagte Dolls. “Wenn jedoch von einer Kreditaufnahme zu gleichen Bedingungen die Rede ist, waren die Teilnehmenden eher bereit, eine profitable Investition kreditfinanziert zu tätigen.” In Schweden und den Niederlanden zeigen sich ähnliche Ergebnisse wie für Deutschland. In beiden Landessprachen hat das Wort für “Schulden” auch eine moralische Prägung.

In den untersuchten englischsprachigen Ländern (Australien, Großbritannien, USA) zeigt sich hingegen kein nennenswerter Effekt. “Im Englischen sind die Begriffe für ‘Schuld’ klar getrennt in ‘guilt’ und ‘debt'”, erläuterte Ifo-Forscher Andreas Peichl. “Während das eine moralische Prägung hat, ist das andere wertneutral und quasi ein Synonym für Kredit.”

Zudem signalisiert die Studie, dass Politikerinnen und Politiker in Parlamentsdebatten die moralische Konnotation von “Schuld(en)” oftmals bewusst zu nutzen scheinen, um sich gegen Staatsverschuldung auszusprechen. “Wenn Abgeordnete sich in Debatten gegen öffentliche Schulden aussprechen, nutzen sie häufiger Begriffe mit Schuld-Konnotation”, hieß es. Wenn für ein Ausweiten der öffentlichen Verschuldung argumentiert werde, würden dagegen eher neutrale Begriffe verwendet.

Die Studie kombiniert den Angaben zufolge drei Haushaltsumfragen in sieben Ländern (Deutschland, Niederlande, Schweden, Schweiz, Australien, Vereinigtes Königreich, USA). Außerdem untersucht die Studie den Sprachgebrauch in deutschen Bundestagsdebatten zwischen 1990 und 2025.

(Bericht von Klaus Lauer; redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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