Berlin (Reuters) – Die Inflation in der Euro-Zone ist erstmals seit April wieder über die Zielmarke der EZB von zwei Prozent gestiegen.
Sie kletterte im September auf 2,2 Prozent, wie das EU-Statistikamt am Mittwoch in einer ersten Schätzung mitteilte. Volkswirte hatten damit gerechnet, nachdem die Jahresteuerungsrate in den drei Vormonaten bei exakt 2,0 Prozent gelegen hatte. Die Europäische Zentralbank (EZB) peilt diese Stabilitätsmarke an, weil sie das Niveau als optimal für die Konjunktur erachtet. Viele Experten sehen das Anziehen der Inflation nicht als Warnsignal, da sich kein nachhaltiger Aufwärtstrend abzeichne.
Die Notenbank ist EZB-Chefin Christine Lagarde zufolge geldpolitisch zurzeit in einer guten Position. Der große Inflationsschock ist aus ihrer Sicht überwunden. Mit Blick auf die Zukunft seien die Risiken bei der Teuerung wohl nach oben wie auch nach unten weitgehend eingedämmt, betonte sie jüngst, ohne sich auf den weiteren geldpolitischen Weg festzulegen.
Die Kerninflation, bei der die oft schwankenden Preise für Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak außen vor bleiben, verharrte im September wie in den Vormonaten bei 2,3 Prozent. Die EZB verfolgt dieses Maß besonders genau, da es zugrundeliegende Inflationstrends gut abbildet.
“EZB KANN NEUTRALE AUSRICHTUNG BEIHALTEN”
Die Energiepreise sanken im September um 0,4 Prozent und damit nicht mehr so schnell wie im Vormonat mit einem Rückgang von damals 2,0 Prozent. “Die Inflationsrate steigt, ohne dass dies als Makel anzusehen ist. Ursache sind energiepreisbedingte Basiseffekte, die im nächsten Monat bereits wieder drehen werden”, so die Einschätzung von Chefvolkswirt Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Die EZB könne die neutrale Ausrichtung ihrer Zinspolitik beibehalten: “Für eine Zinssenkung bedarf es wohl vor allem einer deutlich schwächeren Konjunktur.”
Auch wenn die Inflation im September nach oben ausgeschlagen sei, dürfte diese Beschleunigung laut KfW-Ökonomin Stephanie Schoenwald nicht von Dauer sein. Spätestens Anfang des nächsten Jahres werde es hier wieder in die andere Richtung gehen: “Mehr Sorgen könnten der EZB die wieder stärker steigenden Dienstleistungspreise bereiten.” Diese zogen laut dem EU-Statistikamt im September um 3,2 Prozent an, nach einem Zuwachs von 3,1 Prozent im August.
“Trotz dieser kleineren Veränderungen hat sich die Inflationslage nicht verändert”, konstatiert Commerzbank-Experte Ralph Solveen. Die Rate liege nahe dem EZB-Ziel. Und der zuletzt langsamere Anstieg der Löhne spreche dafür, dass der leichte Anstieg der Teurungsrate bei Dienstleistungen nicht das Ende, sondern nur eine Unterbrechung ihres Abwärtstrends bedeute. Es gebe bisher auch keine Anzeichen dafür, dass die Gesamtinflationsrate deutlich unter das EZB-Ziel fallen werde: “Zusammen mit einer voraussichtlich etwas stärkeren Konjunktur dürfte dies die EZB dazu veranlassen, ihre Zinsen vorerst unverändert zu lassen”, erklärte der Ökonom.
Nach einer Serie von acht Zinssenkungen seit Juni 2024 hatte die EZB zuletzt im Juli und im September pausiert. Sie beließ den Einlagesatz, über den die Geldpolitik maßgeblich gesteuert wird, bei 2,0 Prozent. Diesen Satz erhalten Banken, wenn sie bei der Zentralbank überschüssige Gelder parken.
(Bericht von Reinhard Becker, Mitarbeit Klaus Lauer, redigiert von Christian Rüttger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)