Merz setzt Frist für Reformen – Schwarz-Rot will mehr Tempo

Berlin (Reuters) – Die Bundesregierung hat sich nach ihrer zweitägigen Kabinettsklausur in der Berliner Villa Borsig unter Zeitdruck gesetzt, noch in diesem Jahr zentrale Reformen zu verabschieden.

Gesetzesvorhaben müssten bis spätestens Mitte Oktober das Kabinett passieren, um noch in der letzten Bundesratssitzung am 19. Dezember behandelt werden zu können, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Mittwoch. Der Kanzler lobte das Arbeitsklima in der Regierung aus CDU, CSU und SPD. Es habe sich eine “sehr gute, sehr kollegiale, sehr offene Atmosphäre” entwickelt. Finanzminister und SPD-Chef Lars Klingbeil ergänzte, die Klausur habe “Spaß gemacht” und sei effektiv gewesen.

In der Kabinettssitzung zum Abschluss der Klausur brachte die Regierung unter anderem eine Modernisierungsagenda auf den Weg. “Wir haben den Anspruch, dass wir wieder an die Spitze kommen”, sagte Merz mit Blick auf die deutsche Wirtschaft. Klingbeil erklärte, es gehe darum, das Tempo bei vielen Dingen zu erhöhen und Deutschland einfacher zu machen.

Als weiteren Punkt nannte Klingbeil die Stärkung der europäischen Kapitalmarktunion, um zu verhindern, dass wachsende Unternehmen für ihre Finanzierung in die USA abwandern. Damit sollen sich etwa Start-Ups stärker über die Kapitalmärkte finanzieren können. Traditionell läuft die Unternehmensfinanzierung stark über Banken.

DOBRINDT KÜNDIGT GESETZESÄNDERUNG FÜR DROHNEN-ABSCHUSS AN

Die von Digitalminister Karsten Wildberger vorgelegte Modernisierungsagenda soll die bürokratischen Auflagen um 25 Prozent reduzieren und Kosten von 16 Milliarden Euro einsparen. Zu den 23 Projekten gehören die Zentralisierung der digitalen Kfz-Zulassung und die Ermöglichung einer Unternehmensgründung binnen 24 Stunden. Das Kabinett beschloss zudem eine Beschleunigung der Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen in Heilberufen, um dem Mangel an Pflegekräften zu begegnen.

Um Zukunftstechnologien zu fördern, beschloss das Kabinett den Entwurf für ein Wasserstoff-Beschleunigungs-Gesetz. Der Ausbau der Infrastruktur solle im “überragenden öffentlichen Interesse” liegen, teilte Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) mit. Darüber hinaus wurde ein Aktionsplan für den Bau eines ersten Fusionsreaktors in Deutschland gebilligt. Die Regierung will das Vorhaben mit einem Förderprogramm “Fusion 2040” in Höhe von mehr als zwei Milliarden Euro anschieben.

Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) kündigte Maßnahmen zur Stärkung der inneren Sicherheit an. Angesichts einer steigenden “hybriden Bedrohungslage” solle das Bundespolizeigesetz neu gefasst werden, um die rechtlichen Grundlagen für die Drohnenabwehr zu schaffen, was auch den Abschuss beinhalte. Geplant sei zudem die Einrichtung eines gemeinsamen Drohnenabwehrzentrums von Bund und Ländern.

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) nannte die Beschlüsse zum Bürokratieabbau und zur Digitalisierung einen “kraftvollen Aufschlag”. Nun komme es darauf an, dass die Pläne auch gesetzlich verankert würden und die Entlastungen spürbar in den Betrieben ankämen, um Investitionen anzuregen.

(Bericht von Holger Hansen und Andreas RinkeBei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

tagreuters.com2025binary_LYNXNPEL901OI-VIEWIMAGE