Washington/Berlin (Reuters) – In den USA hat das Scheitern der Haushaltsverhandlungen zu Monatsbeginn erstmals seit rund sechs Jahren wieder einen teilweisen Regierungsstillstand ausgelöst.
Der sogenannte “Shutdown” trat am Mittwoch (06.00 Uhr MESZ) in Kraft. Letzte Bemühungen zwischen den Republikanern von Präsident Donald Trump und den Demokraten im Kongress um eine Übergangsfinanzierung waren erfolglos geblieben. Mit der Haushaltssperre und der teilweisen Lähmung des Verwaltungsapparats drohen weitreichende Folgen: So dürfte US-Soldaten der Sold vorenthalten werden, und rund 750.000 Bundesangestellte könnten in den Zwangsurlaub geschickt werden. Zudem muss sich die US-Notenbank darauf gefasst machen, dass sich für das Abstecken des Zinskurses wichtige Konjunkturdaten verzögern.
Seit 1981 kam es zu 14 teilweisen Regierungsstillständen, die meist nur wenige Tage dauerten. Der jüngste war zugleich der längste. Er dauerte in der ersten Präsidentschaft Trumps über die Jahreswende 2018/2019 insgesamt 35 Tage. Er kostete die Wirtschaft der USA laut dem Congressional Budget Office rund drei Milliarden Dollar, was damals 0,02 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entsprach.
“Der US-Präsident dürfte die Situation dieses Mal gezielt nutzen. Für ihn ist der Shutdown weniger eine Krise als vielmehr ein Instrument, um den Staat zu verschlanken und den Regierungsapparat auszudünnen”, meint Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege beim Broker Robomarkets. Trump hat bereits eine Kampagne zur radikalen Umgestaltung der Behörden in Gang gesetzt, wonach bis Dezember rund 300.000 Arbeitnehmer ihren Schreibtisch räumen sollen.
Der Präsident warnte die Demokraten im Kongress bereits, ein Shutdown könne den Weg für “unumkehrbare” Maßnahmen ebnen, darunter den Abbau weiterer Stellen. Die Demokraten zeigten sich unbeeindruckt: “Sie wollen uns nur einschüchtern. Und das wird ihnen nicht gelingen”, so der Fraktionschef der Demokraten im Senat, Chuck Schumer.
Trumps Republikaner verfügen auch im Abgeordnetenhaus und somit in beiden Kammern des Kongresses über die Mehrheit. Doch laut Gesetz müssen 60 der 100 Senatoren einem Haushaltsgesetz zustimmen. Das bedeutet, dass im Senat mindestens sieben Demokraten nötig sind, um ein Finanzierungsgesetz zu verabschieden.
Der Shutdown begann wenige Stunden, nachdem der Senat eine kurzfristige Ausgabenmaßnahme abgelehnt hatte, die den Regierungsbetrieb bis zum 21. November gesichert hätte. Die Demokraten lehnten das Gesetz ab, weil die Republikaner sich weigerten, einer Verlängerung der Krankenversicherungsleistungen für Millionen von Amerikanern zuzustimmen, die Ende des Jahres auslaufen. Die Republikaner forderten, das Thema müsse separat behandelt werden.
LAGE IST VERFAHRENNun ist die Lage verfahren: Aufgrund der fehlenden Haushaltsmittel erhalten viele Bundesbehörden, die keine essenziellen Aufgaben für die Sicherheit und die Grundversorgung haben, keine Finanzierung mehr: “Damit können keine Gehälter an die betroffenen Mitarbeiter ausbezahlt werden, Dienstleistungen werden eingestellt. So wird etwa der für Freitag terminierte Arbeitsmarktbericht nicht veröffentlicht werden”, erläuterte Chefökonom Thomas Gitzel von der Liechtensteiner VP Bank.
Das seien Daten, auf die man in New York und Frankfurt angesichts der hohen Erwartungen an Zinssenkungen der Fed sehnlichst warte, so Jochen Stanzl, Chefmarktanalyst beim Broker CMC Markets: “Nimmt man den Investoren diese Daten, wenn auch nur für wenige Tage, bringt man Traditionen aus dem Rhythmus, und Unsicherheit macht sich breit. Unsicherheit äußert sich in den Kursen oft durch höhere Schwankungen”, warnte der Experte.
An den Finanzmärkten wird fest mit einer Zinssenkung der Fed um einen Viertel-Prozentpunkt am 29. Oktober gerechnet. Die Notenbank soll mit ihrer Geldpolitik für stabile Preise sorgen und Vollbeschäftigung fördern. Beim Bestimmen des Zinskurses achtet sie dabei auf wichtige Konjunkturdaten, wie etwa zur Beschäftigung. Der Arbeitsmarkt hatte zuletzt Schwäche gezeigt, was die Zentralbank mit dazu bewog, die Zinsen erstmals im laufenden Jahr zu senken.
Sollten der US-Arbeitsmarktbericht und andere wichtige Konjunkturdaten wegen des Regierungsstillstands auf sich warten lassen, wird die US-Notenbank laut dem Währungshüter Austan Goolsbee auf andere Daten zurückgreifen müssen. Die Fed müsse dann nach alternativen Datenquellen suchen, wenn es die üblichen Berichte aus der Regierung über Arbeitsplätze, Inflation und andere Aspekte der Wirtschaft wegen des Stillstands der Behörden nicht gebe, sagte der Präsident des Fed-Ablegers von Chicago am Dienstag dem Sender Fox. “Es schmerzt mich, dass wir keine offiziellen Statistiken erhalten würden, und das zu einem Zeitpunkt, an dem wir feststellen wollen, ob die Wirtschaft an einem Wendepunkt steht.”
(Bericht von: Richard Cowan, Nolan D. McCaskill, Bo Erickson und David Morgan; additional reporting by Jasper Ward and Katharine Jackson; geschrieben von Reinhard Becker, rRedigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)