Berlin (Reuters) – Die Auftragsflaute der deutschen Industrie geht überraschend weiter und dämpft erneut die Hoffnung auf einen baldigen Aufschwung. Die Neuaufträge fielen im August um 0,8 Prozent zum Vormonat und damit zum vierten Mal in Folge, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. “Die industrielle Talfahrt setzt sich fort”, sagte Konjunkturexperte Jupp Zenzen von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Eine ähnlich lange Durststrecke habe es zuletzt nur Anfang 2022 zu Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine gegeben. “Manches Unternehmen dürfte den Einsatz der Fiskal-Bazooka nun noch mehr herbeisehnen”, betonte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger, mit Blick auf die geplanten Milliarden-Ausgaben der Koalition für die Infrastruktur.
Fachleute hatten für August mit einem Auftragsplus von 1,1 Prozent gerechnet, nach minus 2,7 Prozent im Juli. Klammert man die oftmals stark schwankenden Großaufträge aus, hätte es im August sogar ein Minus von 3,3 Prozent gegeben. “Das war mal wieder eine kalte Dusche für die deutsche Industrie”, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Deutlich nach oben dürfte es erst im kommenden Jahr gehen, “wenn die Bundesregierung ihre Ausgaben finanziert durch Schulden massiv erhöht und die Konjunktur zumindest vorübergehend anfacht.”
“2025 SCHON ABGEHAKT – HOFFEN JETZT FÜR KONJUNKTUR AUF 2026”
Die Inlandsnachfrage kletterte im August um 4,7 Prozent. Die Auslandsaufträge sanken aber zum dritten Mal hintereinander – um 4,1 Prozent. Dabei fielen die Bestellungen aus der Euro-Zone um 2,9 Prozent, die aus dem Rest der Welt sogar um 5,0 Prozent. “Auffällig ist, dass gerade die Bestellungen aus dem Ausland jetzt schon wieder zurückgehen, nachdem es zu Jahresbeginn ein leichtes Aufflackern gab”, betonte DIHK-Fachmann Zenzen.
“Die Zahl beleuchtet die konjunkturelle Schlaglochpiste in ihrer ganzen Hässlichkeit”, erklärte Jens-Oliver Niklasch von der LBBW zum gesamten Auftragseingang. Ein wesentlicher Grund für diese Krise sei die Handelspolitik der USA mit Zöllen. Aber es gebe weitere Gründe. “Der Rückgang der Aufträge aus dem Euroraum um drei Prozent spricht Bände”, sagte Niklasch. “Wir haben das Jahr 2025 im Prinzip schon abgehakt und hoffen jetzt für die Konjunktur auf 2026.”
STAATLICHE MEHRAUSGABEN – IMPULS ODER STROHFEUER?
Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte, vor allem die wieder anziehende Inlandsnachfrage deute auf eine Bodenbildung in der Industrie hin, während die Auslandsnachfrage weiter dämpfe. “Der erneut hohe Anteil inländischer Großaufträge bei Investitionsgütern deutet auf zunehmende Aufträge im Rüstungsbereich und bei rüstungsnahen Gütern hin.”
Die negative Entwicklung geht wesentlich auf das maue Neugeschäft der Autoindustrie zurück, wo es im August einen Rückgang um 6,4 Prozent gab. Zudem bremsten die Rückgänge bei Herstellern von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen (-11,5 Prozent) und in der Pharmaindustrie (-13,5 Prozent) das Gesamtergebnis. Positiv wirkten sich Anstiege der Aufträge in der Herstellung von Metallerzeugnissen, im Sonstigen Fahrzeugbau und in der Herstellung von elektrischen Ausrüstungen aus.
Auch die Lage im Mittelstand bleibt im Herbst vorerst unsicher. Wie aus einer Umfrage der Wirtschaftsauskunftei Creditreform unter gut 1200 Betrieben hervorgeht, blicken die Firmen zwar optimistischer nach vorne. Allerdings sei die Lage noch trübe. Die Mehrheit der Unternehmen bewertet sie zum dritten Jahr in Folge negativ. “Nach mehr als zwei Jahren Rezession fehlt noch immer ein echter Konjunkturimpuls”, sagte Creditreform-Chefökonom Patrik-Ludwig Hantzsch. Durch staatliche Ausgaben in Infrastruktur könne sich die Lage 2026 zwar verbessern. “Wie stark dieser Impuls tatsächlich ausfällt oder ob die Ausgaben ein Strohfeuer bleiben, ist allerdings noch vollkommen ungewiss.”
(Bericht von Klaus Lauer und Natascha Koch, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)