Frankfurt (Reuters) – Die zaghaften Erholungsversuche zum Wochenanfang sind an den europäischen Börsen schon wieder passé.
Dax und EuroStoxx50 büßten am Dienstag jeweils bis zu 1,3 Prozent auf 24.079 beziehungsweise 5497 Punkte ein. Auf die Stimmung drückten erneut die angespannten Handelsbeziehungen zwischen den USA und China. “Die Befürchtung ist eine sich weiter zuspitzende Spirale eskalierender handelspolitischer Schritte, die die Investoren verunsichert”, sagte Frank Sohlleder, Analyst bei ActivTrades.
Seit Dienstag erheben China und die USA jeweils zusätzliche Hafengebühren für Seeschiffe, die von Spielzeug bis Rohöl alle möglichen Güter transportieren. Der Handelsstreit hat sich damit auf die Weltmeere ausgeweitet. “Auch wenn es nur Hafengebühren auf Frachtschiffe sind, die zwischen den USA und China verkehren und die jetzt beiderseits erhoben werden – es ist eine kleine, aber weitere Eskalationsstufe im Handelskonflikt zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt”, sagte Jürgen Molnar, Stratege beim Broker RoboMarkets. “Wird dieser bis zum Ende ausgefochten, wie die Chinesen jetzt noch einmal bekräftigten, dürfte dies an den Finanzmärkten der Welt nicht spurlos vorübergehen.” Das Thema erhöhe global den Absicherungsbedarf.
Bereits am Freitag war der deutsche Leitindex um 1,5 Prozent abgerutscht, nachdem US-Präsident Donald Trump wegen chinesischer Exportkontrollen für Seltene Erden ein geplantes Treffen mit seinem Amtskollegen Xi Jinping infrage gestellt und mit neuen Zöllen gedroht hatte. Laut US-Finanzminister Scott Bessent ist zwar weiterhin ein Treffen von Trump mit seinem chinesischen Amtskollegen beim Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) Ende Oktober in Südkorea geplant. Ein Sprecher des chinesischen Handelsministeriums sagte jedoch, die USA könnten nicht Gespräche anstreben und gleichzeitig Drohungen aussprechen. Dies machte Anleger nervös und ließ sie an der Aussicht auf ein umfassenderes Handelsabkommen zweifeln.
GOLDRAUSCH HÄLT AN
“Was wir heute beobachten, ist eine Besorgnis des Marktes über die Aussichten für die Weltwirtschaft”, sagte Fiona Cincotta, Anlystin bei City Index mit Blick auf die hochgekochte Furcht vor erneuten Handelskonflikten. Vor diesem Hintergrund griffen Anleger erneut bei Gold zu. In der Spitze kletterte der Preis für eine Feinunze (31,1 Gramm) um 1,7 Prozent auf ein frisches Rekordhoch von 4179,48 Dollar. Treiber waren auch zunehmende Wetten auf Zinssenkungen in den USA. Händler rechnen nun mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 Prozent mit einer Zinssenkung um 25 Basispunkte im Oktober und mit 94 Prozent mit einem weiteren Schritt im Dezember.
Auch von der Konjunkturseite kamen neue Belastungen. In Deutschland stieg die Inflation zuletzt weiter an. Waren und Dienstleistungen verteuerten sich im September im Schnitt um 2,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, dem höchsten Wert seit Dezember. Dem Wirtschaftsministerium zufolge zeichne sich noch keine Konjunkturbelebung ab. Trotz der anhaltenden Flaute in Deutschland setzen Börsenprofis weiter auf einen baldigen Aufschwung. Der ZEW-Index als Barometer für die Konjunkturaussichten in den kommenden sechs Monaten legte im Oktober um 2,0 Punkte auf 39,3 Zähler zu.
VOLKSWAGEN BERUHIGT ANLEGER – BREMSSPUREN BEI MICHELIN
Bei den Einzelwerten sorgten positiv aufgenommene Aussagen von Volkswagen zu den Geschäftsaussichten für steigende Kurse bei dem Autobauer. Die Titel stiegen am Dienstag um bis zu 2,4 Prozent. In einer Telefonkonferenz vor der Veröffentlichung der Quartalszahlen milderte der Konzern Analysten zufolge Bedenken hinsichtlich der US-Zölle und der Schwäche bei den Luxusmarken. “Das Unternehmen schien mit den aktuellen Markterwartungen für das Quartal zufrieden zu sein”, erklärte der Analyst Pal Skirta von der Bank Metzler. Analysten von Jefferies stießen ins gleiche Horn und sprachen von einer “insgesamt beruhigenden Botschaft”.
Eine drastisch gesenkte Prognose schickte dagegen die Aktien von Michelin auf Talfahrt. Die Papiere des französischen Reifenherstellers brachen in der Spitze um elf Prozent ein. Die Kürzung sei “deutlich größer als erwartet” ausgefallen, sagen Analysten der Deutschen Bank. Im Sog dessen gaben auch die Aktien der Konkurrenten Continental zeitweise mehr als sechs Prozent nach. Rivale Pirelli verbilligte sich in Mailand in der Spitze knapp vier Prozent.
Unterdessen trieben Medienberichte zu einer möglichen Übernahme die Aktie der britischen Billig-Airline EasyJet in London kräftig an. Die Papiere legten um knapp fünf Prozent zu, zeitweise sogar um 11,5 Prozent. Italienische Medien hatten über ein mögliches Kaufinteresse der Reederei MSC berichtet. Ein Sprecher von EasyJet lehnte eine Stellungnahme ab. MSC dementierte gegenüber der Agentur Reuters jegliche Beteiligung.
(Bericht von Stefanie Geiger, redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)