– von Christian Krämer und Andrea Shalal und David Lawder
Washington/Berlin (Reuters) – Die Weltwirtschaft kühlt sich weiter ab, die negativen Folgen des von den USA angezettelten Handelsstreits sind allerdings nicht so stark wie zunächst befürchtet. “Die Gegenmaßnahmen der amerikanischen Handelspartner sind begrenzt, der effektive Zollsatz auf US-Exporte hat sich kaum verändert”, heißt es im neuen Weltwirtschaftsausblick des Internationalen Währungsfonds, der am Dienstag in Washington zu Beginn der IWF-Herbsttagung veröffentlicht wurde. Die globale Wirtschaftsleistung dürfte dieses Jahr um 3,2 Prozent zulegen, 2026 dann um 3,1 Prozent. Zum Vergleich: 2024 waren es noch 3,3 Prozent. Gegenüber der jüngsten Schätzung vom Juli haben sich die Aussichten für 2025 verbessert, für 2026 sind sie unverändert.
Deutschland dürfte sich weiter schwächer entwickeln als viele andere Industrienationen. Die höheren Investitionen kurbelten aber das Wachstum in Europa an, lobte IWF-Chefökonom Pierre-Olivier Gourinchas. Die deutsche Wirtschaft wird laut IWF 2025 die Rezession hinter sich lassen und zumindest leicht um 0,2 Prozent wachsen. 2026 sollen es dann 0,9 Prozent sein. Damit ist der IWF pessimistischer als viele Ökonomen hierzulande. Deutschland wird als Exportnation in der Regel stärker von den Handelskonflikten in Mitleidenschaft gezogen.
US-Präsident Donald Trump hatte am Freitag mit zusätzlichen Zöllen von 100 Prozent auf chinesische Exporte in die USA ab Anfang November gedroht, zudem neue Ausfuhrkontrollen für strategisch wichtige Software. Der Republikaner stört sich an den ausgeweiteten Exportkontrollen Pekings. Dabei geht es vor allem um die Ausfuhr Seltener Erden, bei denen China dominiert und die für die amerikanische Technologiebranche besonders wichtig sind. Gourinchas sagte, eine neue Eskalation könnte die Weltwirtschaft spürbar bremsen.
IWF: AUSSICHTEN SIND DÜSTER
Die globalen Aussichten seien kurz- und auch langfristig recht düster, so der IWF. In den 20 Jahren vor Ausbruch der Coronavirus-Pandemie war die Weltwirtschaft im Schnitt noch um 3,7 Prozent gewachsen. In den Jahren 2027 bis 2030 dürfte es dagegen im Schnitt nur zu 3,2 Prozent reichen. Ein Grund dafür sei die Unsicherheit, die mit dem Handelsstreit einhergehe. Trump hat die Zollsätze für die wichtigsten Handelspartner deutlich erhöht, so auch für Importe aus der EU. Zudem dürften sich die negativen Auswirkungen protektionistischer Maßnahmen erst mit der Zeit voll entfalten. Die EU hat zugestimmt, deutlich höhere Zölle zu zahlen als umgekehrt – und zusätzlich noch im großen Stil Energie und KI-Chips in den USA einzukaufen.
Für die USA als weltgrößte Volkswirtschaft prognostiziert der IWF für 2025 und 2026 nun ein etwas stärkeres Wachstum von 2,0 und 2,1 Prozent, nachdem es 2024 noch 2,8 Prozent waren. Für die Euro-Zone werden 2025 und 2026 1,2 und 1,1 Prozent erwartet. Für China rechnet der IWF mit einer Verlangsamung des Wachstums von 5,0 Prozent im Jahr 2024 auf 4,8 Prozent im laufenden und 4,2 Prozent im kommenden Jahr. Indien dürfte 2025 um 6,6 Prozent wachsen, 2026 noch um 6,2 Prozent. Gourinchas sagte, China habe wegen der höheren Zölle mit einer Abwertung seiner Währung reagiert sowie Exporte nach Asien und Europa umgeleitet.
INFLATION NORMALISIERT SICH
Bei der Inflation – eines der wichtigsten Themen der vergangenen Jahre – zeichnet sich laut IWF kein einheitliches Bild ab. Weltweit soll die Teuerungsrate von 5,8 Prozent im Jahr 2024 auf 4,2 Prozent in diesem und 3,7 Prozent im nächsten Jahr sinken. In den USA rechnet der IWF jedoch damit, dass die Teuerung in der zweiten Jahreshälfte 2025 anziehen wird, da die Auswirkungen der Zölle dann voraussichtlich an die Verbraucher weitergegeben würden. Für die Euro-Zone wird hingegen ein weiterer Rückgang auf 2,1 Prozent im Jahr 2025 und 1,9 Prozent 2026 prognostiziert.
Ein Grund zur Sorge bleibt laut IWF die hohe Verschuldung. Trumps Politik dürfte die Gesamtverschuldung der USA im Jahr 2030 auf 143 Prozent der Wirtschaftsleistung treiben. 2024 waren es noch 122 Prozent. In der Euro-Zone dürfte es im gleichen Zeitraum einen Anstieg von 87 auf 92 Prozent geben.
Angeschoben wird die Weltwirtschaft von hohen Investitionen in Künstliche Intelligenz (KI), vor allem in den USA. Gourinchas sagte, es gebe einige Parallelen zum Internet-Boom in den 1990er Jahren, der in einem Börsen-Crash endete. Die Investitionen würden aber vor allem von Technologiefirmen getätigt, nicht so sehr über Banken. Dadurch seien mögliche Folgen für das Finanzsystem begrenzt.
(Bericht von Christian Krämer, David Lawder und Andrea Shalal, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)