Streit über Waffenruhe im Gazastreifen – Übergang Rafah noch dicht

Kairo/Jerusalem (Reuters) – Israel setzt nach eigenen Angaben die Vorbereitungen zur Öffnung des Gaza-Grenzübergangs Rafah für den Personenverkehr fort, hat jedoch noch kein Datum festgelegt.

Zugleich werfen sich Israel und die radikal-islamische Hamas gegenseitig Verstöße gegen die unter US-Vermittlung zustande gekommene Waffenruhe vor. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu betonte am Donnerstag, sein Land werde alle Kriegsziele im Gazastreifen erreichen. Bei einer Gedenkfeier für gefallene Soldaten drohte er zudem, die Feinde Israels hätten gelernt, dass jeder, der die Hand gegen das Land erhebe, einen hohen Preis zahlen werde.

Die für die Grenzübergänge zuständige israelische Militärbehörde Cogat teilte mit, die Abstimmung mit Ägypten über einen Termin zur Öffnung von Rafah laufe. Der Grenzübergang soll Palästinensern die Ein- und Ausreise ermöglichen. Humanitäre Hilfe werde aber nicht über Rafah abgewickelt, hieß es weiter. Die Versorgung des Gebiets mit Hilfsgütern laufe weiterhin über andere Übergänge wie Kerem Schalom. Zwei Insider hatten der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch gesagt, der Übergang Rafah werde voraussichtlich am Donnerstag geöffnet.

Der Streit über die Rückgabe der Leichen israelischer Geiseln droht unterdessen weiter, das Abkommen zu gefährden. Israel fordert von der Hamas die Übergabe der sterblichen Überreste von allen 28 toten Geiseln. “Wir werden hier keine Kompromisse eingehen und keine Mühen scheuen, bis unsere gefallenen Geiseln zurückgekehrt sind, jede einzelne von ihnen”, sagte ein israelischer Regierungssprecher am Mittwoch. Die Hamas erklärte, sie habe zehn Leichen übergeben, Israel zufolge handelte es sich jedoch bei einer Leiche nicht um eine Geisel.

Der bewaffnete Arm der Hamas erklärte, zur Bergung weiterer Leichen sei schweres Gerät erforderlich, das im in weiten Teilen zerstörten Gazastreifen nicht vorhanden sei. Ein ranghoher Hamas-Vertreter warf Israel zudem vor, sich nicht an die Waffenruhe zu halten. Seit Freitag seien durch israelische Angriffe mindestens 24 Menschen getötet worden. “Der Besatzerstaat arbeitet Tag und Nacht daran, das Abkommen durch seine Verstöße vor Ort zu untergraben”, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters.

“TROPFEN AUF DEN HEISSEN STEIN”

Der UN-Nothilfekoordinator Tom Fletcher sagte am Mittwoch in einem Reuters-Interview, dass wöchentlich Tausende von Hilfsfahrzeugen in den Gazastreifen fahren müssten, um eine weitere Katastrophe für die notleidende Bevölkerung abzuwenden. Die im Rahmen des Abkommens genehmigten 600 Lastwagen pro Tag seien eine “gute Grundlage”, aber nicht ausreichend. Der Leiter des Hamas-Medienbüros im Gazastreifen, Ismail Al-Thawabta, bezeichnete die bisherigen Lieferungen als “Tropfen auf den heißen Stein”.

Im Rahmen des vor allem von den USA vermittelten Abkommens waren am Montag die 20 verbliebenen lebenden Geiseln im Austausch für Tausende in Israel inhaftierte Palästinenser freigekommen. Längerfristige Bestandteile des Waffenruheplans sind aber noch offen. Dazu gehören die künftige Verwaltung des Gazastreifens und die Zusammensetzung einer internationalen Stabilisierungstruppe. Zudem soll die Hamas entwaffnet werden und keine Rolle mehr bei der Verwaltung des Gazastreifens spielen.

Auslöser des Krieges war der Angriff der Hamas auf den Süden Israels am 7. Oktober 2023. Dabei wurden nach israelischen Angaben etwa 1200 Menschen getötet und 251 in den Gazastreifen verschleppt. Durch darauf folgende israelische Luftangriffe und Bodentruppeneinsätze sind nach Angaben der Gesundheitsbehörde in Gaza fast 68.000 Palästinenser getötet worden.

(Bericht von Nidal al-Mughrabi in Kairo, Alex Cornwell und Steven Scheer in Jerusalem; Bearbeitet von Alexander Ratz; Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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