Warschau (Reuters) – Ein polnisches Gericht hat die Auslieferung eines ukrainischen Verdächtigen im Zusammenhang mit den Explosionen an den Nord-Stream-Gaspipelines an Deutschland abgelehnt und die sofortige Freilassung des Mannes angeordnet.
Der deutsche Auslieferungsantrag sei unzulässig, urteilte Richter Dariusz Lubowski am Freitag. Der Angeklagte habe, falls er der Täter gewesen sei, Anspruch auf eine “funktionale Immunität”. Diese decke eine Handlung ab, die im Zusammenhang mit Aktivitäten für den ukrainischen Staat begangen worden sei.
“Wenn die Ukraine tatsächlich der Organisator dieses Aggressionsaktes war, dann kann nur die Ukraine für dieses Ereignis zur Verantwortung gezogen werden”, sagte der Richter. Die Ukraine hat eine Beteiligung an den Explosionen bestritten. Beobachtern zufolge steht die Tat in Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Russland selbst hat eine Beteiligung an den Sabotage-Akten wiederholt bestritten. Die Federführung der Ermittlungen liegt bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, die sich zu dem Urteil nicht äußern wollte.
Die Entscheidung der Richter ist im Sinne der Regierung in Warschau. Ministerpräsident Donald Tusk begrüßte das Urteil. “Das polnische Gericht hat die Auslieferung eines ukrainischen Staatsbürgers an Deutschland verweigert… und das zu Recht. Der Fall ist abgeschlossen”, schrieb Tusk auf der Plattform X. Er hatte bereits Anfang des Monats erklärt, eine Übergabe des Mannes namens Wolodymyr Z. sei nicht im Interesse Polens. Das Problem sei nicht, dass die Pipelines im September 2022 gesprengt wurden, sondern dass sie überhaupt gebaut worden seien.
“VERFASSUNGSFEINDLICHE SABOTAGE”
Das Bundesjustizministerium lehnte eine Stellungnahme zu dem Urteil ab. Außenminister Johann Wadephul sagte am Rande eines Besuchs in Ankara, die Bundesregierung respektiere Gerichtsentscheidungen. Die Bundesanwaltschaft wirft Wolodymyr Z. vor, Teil einer Gruppe gewesen zu sein, die eine Segeljacht gemietet und Sprengstoff an den Pipelines nahe der dänischen Insel Bornholm platziert haben soll. Ihm werden die Verabredung zu einem Sprengstoffanschlag sowie “verfassungsfeindliche Sabotage” zur Last gelegt.
Sein polnischer Anwalt weist die Anschuldigungen zurück. Er stellte zudem infrage, ob die Zerstörung russischen Eigentums durch einen Ukrainer während des Krieges zwischen beiden Ländern eine strafrechtliche Angelegenheit sei. Durch die Explosionen wurden die Pipelines weitgehend zerstört. Allerdings hatte die damalige Bundesregierung den Bezug russischen Gases durch die Röhren wegen des Angriffskriegs zuvor bereits gestoppt.
Auch ein in Italien einsitzender verdächtiger Ukrainer ist noch nicht nach Deutschland ausgeliefert worden. Am Mittwoch hatte das oberste Gericht des Landes einen Einspruch gegen die Auslieferung des Verdächtigen Serhii K. aus verfahrenstechnischen Gründen bestätigt. Dieser Fall muss nun erneut vor Gericht verhandelt werden.
(Bericht von Marek Strzelecki und Anna Koper; Bearbeitet von Alexander Ratz; Redigiert von Kerstin Dörr; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)