Klingbeil kritisiert “Wahn” der USA zur Deregulierung von Banken

Washington/Berlin (Reuters) – Deutschland hat bei der Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) vor einer Aufweichung der Bankenregulierung gewarnt.

Dabei bezogen sich Bundesfinanzminister Lars Klingbeil und Bundesbank-Präsident Joachim Nagel auch auf die jüngsten Probleme von US-Regionalbanken. Klingbeil sagte am Freitag in Washington zu Journalisten, in den USA zeichne sich mit der Lockerung der Regeln ein regelrechter “Wahn” ab. In Europa werde daran gearbeitet, Bürokratie in der Finanzbranche abzubauen. “Da sind wir jederzeit offen. Aber den amerikanischen Weg werden wir ganz sicherlich nicht gehen.”

An der Börse macht derzeit die Sorge vor einer neuerlichen Bankenkrise die Runde. Zwei Insolvenzen in der US-Autoindustrie haben dabei Spekulationen über unerkannte Kreditrisiken geweckt und Bank-Aktien auf Talfahrt geschickt. Bereits am Donnerstag waren in den USA Aktien der regionalen Finanzinstitute Zions Bancorporation, Western Alliance und Jefferies eingebrochen. Analysten verwiesen darauf, dass mehrere Banken Probleme mit Krediten der Autozulieferer Cantor Group und First Brands eingeräumt hatten. Vor zwei Jahren hatte eine Serie von Pleiten bei US-Regionalbanken wie der Silicon Valley Bank die Branche in Turbulenzen gestürzt und die US-Notenbank Fed 2023 zu außergewöhnlichen Stabilisierungsmaßnahmen veranlasst.

Nagel sprach von einem Augenöffner, der zur richtigen Zeit komme. Das Thema Deregulierung sollte mit großem Augenmaß angegangen werden. Über die Regulierungsanstrengungen der vergangenen Jahre sei viel erreicht worden. Die europäischen Banken seien deutlich robuster und krisenfester aufgestellt. “Es wäre geradezu aberwitzig, wenn wir das in irgendeiner Form aufgeben würden.”

Nagel ergänzte, ihm sei um europäische und deutsche Banken nicht bange. Auch die Ansteckungseffekte hält er für begrenzt. Die jetzige Größenordnung sei anders als bei früheren “Unfällen”. Die Amerikaner müssten sich um die Regulierung der Branche kümmern. “Man darf diese Themen nicht unterschätzen.”

KLINGBEIL SETZT ANDEREN TON ALS MERZ

Die deutschen Banken pochen darauf, dass gleiche Regeln auf beiden Seiten des Atlantiks gelten. Aber die Erwartung ist, dass US-Präsident Donald Trump im ersten Halbjahr 2026 einen Vorschlag zur Banken-Deregulierung vorlegen wird, der dann vor der nächsten Präsidentenwahl umgesetzt werden könnte. “Das wird zu gigantischen Kapitalerleichterungen für amerikanische Banken führen”, sagte ein Banker, der nicht namentlich genannt werden möchte, zu Reuters. Aus Sicht der Banken könnte dies den Wettbewerb verzerren.

Klingbeil setzte mit seiner Einschätzung einen ganz anderen Ton als Kanzler Friedrich Merz. “Banken sind zu stark reguliert”, hatte der CDU-Chef zuletzt gesagt. Dies habe fatale Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft. Je höher die Anforderungen sind, desto weniger Kredite werden in der Regel vergeben.

(Bericht von Christian Krämer, Reinhard Becker und Maria Martinez, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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