Bau-Turbo und mehr Genehmigungen – “Tiefpunkt der Krise liegt hinter uns”

Berlin (Reuters) – Die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen ist im August gestiegen und liefert der angeschlagenen Baubranche neue Hoffnungszeichen.

Insgesamt wurden 19.300 Wohnungen genehmigt und damit 5,7 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Von Januar bis August gaben die Behörden deutschlandweit grünes Licht für den Bau von 151.200 Wohnungen in neuen sowie bereits bestehenden Gebäuden. Das waren 6,5 Prozent oder 9300 Wohnungen mehr als von Januar bis August 2024. Bis August liege das gesamte Genehmigungsvolumen aber immer noch um rund 100.000 Wohnungen unter dem Niveau von 2021, sagte Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB). “Dieses Ausgangsniveau braucht es aber, um schlussendlich auch die benötigten mehr als 300.000 Wohnungen pro Jahr fertigzustellen.”

Die Baubranche fordert mehr Maßnahmen der Politik, um den kriselnden Wohnungsbau anzuschieben. Der Bundestag hat jüngst den sogenannten Bau-Turbo beschlossen und der Bundesrat stimmte am Freitag ebenfalls zu. Mit dem Gesetz soll etwa für die Kommunen das Genehmigungsverfahren für Neubauten, Nachverdichtungen sowie Aufstockungen deutlich beschleunigt werden – von rund fünf Jahren auf drei Monate. Die Regelung soll befristet bis Ende 2030 gelten.

VERBÄNDE: BAU-TURBO POSITIV, ABER REICHT NICHT AUS

“Wir brauchen in Deutschland dringend und vor allem schnell viele neue Wohnungen”, sagte Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) in der Länderkammer. Der Bau-Turbo sei ein Weg, um Abläufe zu beschleunigen und Bürokratie abzubauen. Man wolle die Gemeinden mit einem pragmatischen Instrument stärken. Dieser Weg erfordere allerdings auch Mut, denn die “Kommunen verlassen gewohntes Terrain”, räumte Hubertz ein.

Die Gemeinden müssten nun das Angebot nutzen, sagte ZDB-Lobbyist Pakleppa. “Denn ein Bau-Turbo allein baut noch keine Häuser – es sind die Menschen im Land.” Hohe Zinsen, wenig Fördermöglichkeiten und viel Bürokratie bremsten aber viele Bauwillige weiter aus. Sie bräuchten neben dem Turbo weitere Signale wie den geplanten Gebäudetyp E für einfacheres Bauen und eine verlässliche Zinsstütze, “die auch Normalverdienern den Weg ins Eigenheim ermöglicht”. Die Bauindustrie (HDB) erklärte, verbesserte Zinskonditionen für Förderprogramme der staatlichen KfW-Bank seien zwar positiv, “aber nicht so wirkungsstark, dass hierdurch der Turnaround kommen wird”. Nötig seien mehr Fördervolumen und Einschnitte “bei baukostentreibenden Normen und Vorgaben von Bund, Ländern und Gemeinden”.

In neu zu errichtenden Wohngebäuden wurden in den ersten acht Monaten des Jahres insgesamt 122.000 Wohnungen genehmigt – ein Zuwachs von 7,6 Prozent. Dabei stieg die Zahl der Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser um 15,5 Prozent auf 29.300. Bei den Zweifamilienhäusern gab es ein Minus von 5,3 Prozent auf 8200. In Mehrfamilienhäusern, der zahlenmäßig stärksten Gebäudeart, genehmigten die Behörden 79.100 Neubauwohnungen – ein Anstieg um 4,9 Prozent zum Vorjahr.

HOFFNUNGEN RICHTEN SICH AUF 2026

“Der Tiefpunkt der Wohnungsbaukrise liegt nun eindeutig hinter uns, und die Bauwirtschaft könnte im kommenden Jahr eine wichtige Konjunkturstütze werden”, sagte der wissenschaftliche Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien. Die steigende Zahl der Baugenehmigungen werde sich etwas verzögert auch in den Aufträgen und der Bautätigkeit niederschlagen. Hinzu komme ein absehbarer Nachfrageschub durch steigende öffentliche Ausgaben aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaschutz, der ab 2026 wirksam werden dürfte.

“Für das Gesamtjahr 2025 wird sich für die Bauwirtschaft aufgrund des schlechten ersten Halbjahres noch einmal ein Minus ergeben, im kommenden Jahr dürften dann aber Bauinvestitionen und Bauproduktion deutlich anziehen”, erklärte Dullien.

(Bericht von Reinhard Becker und Klaus Lauer. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

tagreuters.com2025binary_LYNXNPEL9G09D-VIEWIMAGE