Zürich/München (Reuters) – Der Schweizer Zementkonzern Holcim übernimmt für 1,85 Milliarden Euro den deutschen Baustoffanbieter Xella. Holcim wolle mit dem Zukauf sein Angebot an Bau- und Dämmsystemen für Wände ausbauen und den wachsenden europäischen Markt für Gebäudesanierungen erschließen, teilte das Unternehmen am Montag mit. Holcim wolle nicht mehr nur einzelne Produkte verkaufen, sondern über die Zeit vom Fundament über den Keller bis hin zu Wänden und Dächern alles liefern, sagte Konzernchef Miljan Gutovic der Nachrichtenagentur Reuters. “Wenn Sie ein Haus bauen, ist es Ihr Traum, einen einzigen Lieferanten zu haben, der alles liefert, anstatt fünf, sechs oder zehn.”
Die Transaktion ist auch ein Schritt hin zu dem Ziel, den Anteil des bisherigen Kerngeschäfts mit Zement am Geschäftsvolumen zu verringern und klimafreundlichere Bauprodukte wie Dach- und Dämmsysteme auszubauen. “Diese strategische Übernahme ist ein Meilenstein in unserer Vision, der führende Partner für nachhaltiges Bauen zu sein”, sagte Gutovic.
“Wir werden bei Xella keine Stellen abbauen”, sagte Gutovic. “Im Gegenteil, ich möchte investieren.” Das Duisburger Unternehmen bietet unter Marken wie “Silka”, “Hebel” und “Multipor” Bau- und Dämmstoffe. Am bekanntesten ist der “Ytong”-Porenbeton. Das Unternehmen beschäftigt gut 4000 Mitarbeiter und erwartet im laufenden Jahr einen Umsatz von rund einer Milliarde Euro. Für Holcim rechnen Analysten mit einem Umsatz von rund 16 Milliarden Franken.
Xella hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Der Mischkonzern Haniel hatte seine Baustoffsparte 2008 an die Finanzinvestoren PAI Partners und Goldman Sachs verkauft. Nach einem vergeblichen Anlauf, das Geschäft an die Börse zu bringen, reichten sie Xella 2016 für 2,2 Milliarden Euro an Lone Star weiter. Die Amerikaner fokussierten das Unternehmen auf Wandsysteme und trennten sich von der Kalk-Tochter Fels, die an die irische CRH verkauft wurde.
“WIR ARBEITEN AN WEITEREN GROßEN DEALS”
Die Übernahme eröffnet Holcim neue Möglichkeiten im Neubau, aber auch im stark wachsenden Markt für Reparaturen und Sanierungen. “Rund 80 Prozent der Gebäude, in denen wir heute leben, werden auch 2050 noch stehen, was bedeutet, dass wir ständig investieren müssen, um sie zu reparieren, zu sanieren und auf einem bestimmten Standard zu halten”, erklärte Gutovic.
Die europäischen Renovierungsraten dürften sich Schätzungen der EU zufolge in den kommenden Jahren verdoppeln, um die Energieeffizienz älterer Gebäude zu verbessern. Der europäische Wandbaustoffmarkt wird laut Holcim bis 2030 voraussichtlich auf 16 Milliarden Euro wachsen. Der Konzern verwies auf Energieeffizienz-Vorschriften und die Nachfrage nach zehn Millionen neuen Wohnungen.
An der Börse zogen Holcim um 2,4 Prozent an. Die Übernahme ergänze das bestehende Gebäudeportfolio von Holcim in hohem Maße, erklärte Vontobel-Analyst Mark Diethelm. Xella habe in den vergangenen drei Jahren unter dem schwachen deutschen und europäischen Wohnungs-Neubau gelitten. Daher sei der Kaufpreis attraktiv. “Auf dem europäischen Baumarkt hat eine Erholung eingesetzt”, erklärte der Konzernchef weiter.
Die Übernahme steht Holcim zufolge unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Behörden und soll voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2026 abgeschlossen werden. Damit ist der Akquisitionsappetit des Heidelberg-Materials-Rivalen aber noch nicht gestillt. Holcim peile weitere Zukäufe an, erklärte Gutovic. “Wir arbeiten an weiteren großen Deals, die in den nächsten Monaten oder Wochen zustande kommen könnten”, sagte er mit Blick auf Zukäufe von Firmen mit einem Umsatz von über 400 Millionen Franken.
(Bericht von John Revill, Oliver Hirt und Alexander Hübner. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)