Tokio (Reuters) – In Japan ist der Weg frei für die erste Ministerpräsidentin des Landes.Die konservative Politikerin Sanae Takaichi, Chefin der seit langem regierenden LDP-Partei, brachte am Montag ihre Pläne für eine Koalition mit der bisher oppositionellen rechtsgerichteten Ishin-Partei über die Ziellinie. Zusammen mit dem Ishin-Vorsitzenden Hirofumi Yoshimura und Fraktionschef Fumitake Fujita unterzeichnete sie die Koalitionsvereinbarung. “Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit, um die japanische Wirtschaft zu stärken und das Land umzugestalten”, sagte die 64-Jährige. Am Dienstag soll sie im Parlament zur neuen Regierungschefin gewählt werden. Durch den Pakt mit Ishin dürfte sie dafür genug Stimmen erringen.
Die ehemalige Innenministerin folgt als Regierungschefin dem LDP-Ministerpräsidenten Shigeru Ishiba, der im September nach einer Reihe von Wahlniederlagen zurückgetreten war. In der Bevölkerung wuchs unter anderem der Unmut über gestiegene Lebenshaltungskosten. Takaichi gilt als Befürworterin einer lockeren Fiskalpolitik. Sie hat höhere Ausgaben und Steuersenkungen gefordert, um die Verbraucher von der steigenden Inflation zu entlasten.
Takaichis Weg an die Regierungsspitze schien nach ihrem Sieg bei der Wahl zur LDP-Vorsitzenden Anfang des Monats bereits sicher gewesen zu sein. Dann jedoch verließ die Komeito-Partei die seit 26 Jahren bestehende Koalition mit der LDP. Dies löste eine Reihe von Verhandlungen mit konkurrierenden Parteien aus, um eine Mehrheit für die Wahl des nächsten Regierungschefs zu sichern. Die nun gefundene Lösung gilt als weniger stabil als die bisherige Allianz der LDP mit der Komeito-Partei.
Das neue Bündnis kommt im Unterhaus auf 231 Sitze. Damit fehlen ihm zwei Sitze zur Mehrheit, was aber für die Wahl Takaichis dennoch ausreichen dürfte. Für bestimmte Regierungsvorhaben, wie den anstehenden Ergänzungshaushalt, muss sie sich aber stärker um Stimmen der Opposition bemühen.
Um die Unterstützung von Ishin zu bekommen, versprach Takaichi der bisher zweitgrößten Oppositionspartei in verschiedenen Punkten Entgegenkommen. So soll im Sinne von Ishin die Zahl der Abgeordneten um zehn Prozent reduziert und die Mehrwertssteuer auf Lebensmittel für zwei Jahre ausgesetzt werden. Ishin-Chef Yoshimura erklärte am Montag, seine Partei werde zunächst darauf verzichten, Minister in Takaichis Kabinett zu entsenden. Zunächst müsse sich die Tragfähigkeit der Koalition zeigen. “Im Moment sind wir nur eine Gruppe von Abgeordneten ohne Regierungserfahrung”, sagte Yoshimura.
Takaichi befürwortet eine Änderung der pazifistischen Nachkriegsverfassung Japans, um der wachsenden Rolle des Militärs Rechnung zu tragen. Die LDP-Chefin besucht regelmäßig den umstrittenen Yasukuni-Schrein, in dem der japanischen Kriegstoten gedacht wird – darunter sind auch hingerichtete Kriegsverbrecher. Sie wird daher in einigen Nachbarstaaten als Symbol für den früheren Militarismus des Landes angesehen.
Takaichi schlägt auch in der Einwanderungspolitik einen schärferen Ton an. Japans wahrscheinlich erste Ministerpräsidentin will es zudem Frauen verbieten, nach einer Heirat ihren Mädchennamen zu behalten. Dies stelle traditionelle Werte infrage, argumentiert sie.
(Bericht von Tim Kelly und Rocky Swift, geschrieben Elke Ahlswede, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)