Berlin (Reuters) – Deutsche Unternehmen haben einer Studie zufolge in den vergangenen drei Jahren rund 325.000 zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt, um zunehmende Bürokratie zu bewältigen.
Wie aus einer am Montag veröffentlichten Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervorgeht, bewerten 14 Prozent der Betriebe ihre bürokratische Belastung im laufenden Jahr als sehr hoch – 2022 waren dies nur vier Prozent. Jeder zehnte Betrieb gab an, seit 2022 mehr Personal für gesetzliche Vorgaben und Dokumentationspflichten eingestellt zu haben.
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche räumte vor Beratungen mit mittelständischen Unternehmen in Berlin ein: “Wir werden aber nicht mit verwalten wachsen. Wir werden nur wachsen, wenn wir wieder Freiräume schaffen.” Konkrete Punkte dazu blieb die CDU-Politikerin aber schuldig.
Jörg Dittrich, der Präsident des Handwerksverbands ZDH, betonte, das Fundament in der Wirtschaft bröckele. Es brauche Taten statt reiner Ankündigungen, die zu spürbaren Erleichterungen in den Betrieben führten. “Neue Prüfaufträge und Kommissionen helfen uns nicht mehr weiter.” Die bürokratischen Vorgaben seien nicht mehr einzuhalten und würden das Vertrauen in den Staat untergraben. Dittrich nannte als Beispiele die Bon-Pflicht in Supermärkten oder die Zeiterfassung für Arbeitnehmer, die sich schnell ändern ließen. “Der Mittelstand braucht eine Politik, die anpackt und nicht weiter vertagt.”
KONZERNE AM STÄRKSTEN BETROFFEN
Besonders betroffen sind der Studie zufolge größere Firmen. Je 30 Prozent der Großbetriebe mit mindestens 250 Beschäftigten und der mittelgroßen Betriebe mit 50 bis 249 Beschäftigten rekrutierten demnach zusätzliches Personal für Verwaltungsaufgaben. Bei den Betrieben mit zehn bis 49 Beschäftigten waren es 16 Prozent, bei Kleinstbetrieben mit weniger als zehn Mitarbeitern sieben Prozent. Mit Blick auf die Branchen berichtete im Bereich Energieversorgung jeder fünfte Betrieb von einem personalbedingten Aufbau wegen der Bürokratie, gefolgt von der Öffentlichen Verwaltung mit 19 Prozent.
“Der Beschäftigungszuwachs zur Bewältigung der gestiegenen Bürokratie umfasst nur einen Teil der zusätzlichen Kosten, die von den Unternehmen getragen werden müssen”, erklärte IAB-Forscher André Diegmann. Insgesamt beklagen 80 Prozent der Betriebe höhere Kosten als Folge der gestiegenen Bürokratie. Dies führt der Umfrage zufolge bei 55 Prozent der Betriebe zu einem Produktivitätsverlust. Weitere 19 Prozent gaben Wettbewerbsnachteile an, 16 Prozent sehen in den Aufwendungen eine Hürde für Innovationen.
Als häufigste bürokratische Belastung nannten zwei Drittel der Betriebe die Datenschutzgrundverordnung. Mit deutlichem Abstand folgten EU-Verordnungen zur IT-Sicherheit mit 32 Prozent sowie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz mit 14 Prozent. “Eine sinnvolle Möglichkeit wäre es, zukünftige Gesetze und Verordnungen zunächst befristet einzusetzen und mit einem ergebnisoffenen Prüfauftrag zu verbinden”, sagte IAB-Forscher Alexander Kubis. “Mit diesem Verfallsdatum könnte die Politik auf Basis dieser Ergebnisse die weitere Gültigkeit oder Ausgestaltung der Regelungen anpassen.”
(Bericht von Klaus Lauer und Christian Krämer, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)