Kiew/Berlin (Reuters) – Vor dem hereinbrechenden Winter nimmt Russland bei seinen Angriffen auf das Nachbarland Ukraine immer stärker die Energieversorgung ins Visier: Hunderttausende Menschen in der ukrainischen Region Tschernihiw hatten nach russischen Raketen- und Drohnenangriffen keinen Strom mehr, einige auch kein Wasser.
Etliche europäische Staaten sicherten der Ukraine in einer gemeinsamen Erklärung weitere Hilfe zu und plädierten für stärkeren Druck auf Russland. Die Planungen für ein Treffen von US-Präsident Donald Trump mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin scheinen dagegen zu stocken.
Das ukrainische Energieministerium warf Russland auf dem Messengerdienst Telegram vor, Drohnen über beschädigten Einrichtungen wie Kraftwerken kreisen zu lassen, um Reparaturen zu verhindern und “die humanitäre Krise absichtlich zu verlängern”. Außenminister Andrij Sybiha schrieb auf der Plattform X, dass der russische Präsident zwar vorgebe, zu Diplomatie und Friedensverhandlungen bereit zu sein, Russland aber weitere brutale Raketen- und Drohnenangriffe gestartet habe.
Mehrere europäische Länder sprachen sich in einer gemeinsamen Erklärung dafür aus, die im Westen eingefrorenen russischen Staatsvermögen für die Ukraine zu verwenden und das Land weiter militärisch zu unterstützen. “Wir müssen den Druck auf die russische Wirtschaft und die Rüstungsindustrie erhöhen, bis Putin bereit ist, Frieden zu schließen”, heißt es in der am Dienstag veröffentlichten gemeinsamen Erklärung. “Daher ist für uns klar, dass die Ukraine in einer möglichst starken Position sein muss – vor, während und nach einem Waffenstillstand.” Dies zielt auf die Forderung an die US-Regierung, der Ukraine wieder Waffen zu liefern.
Unterzeichnet haben die Staats- und Regierungschefs Großbritanniens, Frankreichs, Deutschlands, Finnlands, Norwegens, der Ukraine sowie der Europäischen Union. In der Erklärung schlagen sie einen deutlich anderen Ton an als US-Präsident Trump. Allerdings stellen sie sich ganz allgemein hinter dessen Friedensbemühungen. “Wir unterstützen nachdrücklich die Position von Präsident Trump, dass die Kämpfe sofort eingestellt werden sollten und dass die derzeitige Kontaktlinie der Ausgangspunkt für Verhandlungen sein sollte”, schreiben sie. Alle könnten sehen, dass Putin weiterhin auf Gewalt und Zerstörung setze.
Mit Verweis auf die vor allem in Belgien eingefrorenen russischen Guthaben heißt es, dass man einen Mechanismus entwickele, um dieses Geld für die Ukraine verfügbar zu machen. Dies wird auch ein Thema auf dem EU-Gipfel am Donnerstag sein. Kanzler Friedrich Merz und die EU-Kommission hatten vor dem informellen EU-Gipfel in Kopenhagen vorgeschlagen, dass das Geld zwar nicht enteignet, aber für die Absicherung eines 140 Milliarden Euro umfassenden Kredits an die Ukraine genutzt werden solle. In der Erklärung wird auch erwähnt, dass es diese Woche noch ein Treffen der sogenannten Unterstützungsgruppe der Ukraine (Coalition of the Willing) geben soll.
Unterdessen erklärte der Kreml, es sei unklar, wann ein Gipfeltreffen zwischen Trump und Putin über ein Ende des Krieges in der Ukraine stattfinden werde. Ein Datum sei bisher nicht genannt worden. Nach einem Gespräch mit Putin am 16. Oktober hatte Trump noch gesagt, dass US-Außenminister Marco Rubio und der russische Außenminister Sergej Lawrow sich diese Woche im Vorfeld eines möglichen Gipfeltreffens in Budapest innerhalb von zwei Wochen treffen würden. Der US-Sender CNN zitierte jedoch einen nicht genannten Vertreter des Weißen Hauses mit der Aussage, dass das für Donnerstag angedachte Treffen zwischen Rubio und Lawrow vorerst auf Eis gelegt worden sei. Es gebe offensichtlich unterschiedliche Erwartungen hinsichtlich eines möglichen Kriegsendes. In der EU war unklar, ob Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban zum Gipfeltreffen der 27 EU-Staaten am Donnerstag nach Brüssel reisen wird oder nicht.
(Bericht von Andreas Rinke, William James, Guy Faulconbridge, Dmitry Antonov, Max Hunder; redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)