Novo Nordisk stellt Aufsichtsrat nach Strategiestreit neu auf

Kopenhagen – Beim dänischen Pharmakonzern Novo Nordisk kommt es nach einem Strategiestreit mit dem Großaktionär zu einem massiven Umbruch im Aufsichtsrat.

Der Vorsitzende Helge Lund und sechs weitere unabhängige Mitglieder des Kontrollgremiums werden ihre Mandate auf einer außerordentlichen Hauptversammlung am 14. November niederlegen, wie der Hersteller der Abnehmspritze Wegovy am Dienstag mitteilte. “Nach einem Dialog mit der Novo Nordisk Stiftung über die künftige Zusammensetzung des Aufsichtsrats war es nicht möglich, zu einer gemeinsamen Auffassung zu gelangen”, erklärte der seit 2018 amtierende Lund. Das Gremium habe eine Erneuerung mit ausgewählten neuen Kompetenzen bei gleichzeitiger Kontinuität vorgeschlagen, während die Stiftung eine grundlegendere Neustrukturierung angestrebt habe.

Die Stiftung ist die kontrollierende Aktionärin des Konzerns. Sie will nun den früheren Novo-Chef und derzeitigen Stiftungsvorsitzenden Lars Rebien Sörensen als Übergangsvorsitzenden des Aufsichtsrats für zwei bis drei Jahre vorschlagen. Die Stiftung kritisierte den scheidenden Aufsichtsrat dafür, zu langsam auf Veränderungen im wichtigen US-Markt und auf die Notwendigkeit eines Managementwechsels reagiert zu haben. “Angesichts des sich schnell verändernden Umfelds, in dem Novo Nordisk tätig ist, glauben wir, dass es im besten Interesse des Unternehmens und seiner Aktionäre ist, eine Erneuerung des Aufsichtsrats so bald wie möglich vorzunehmen, anstatt bis zur Jahreshauptversammlung im März nächsten Jahres zu warten”, erklärte Sörensen.

Bereits im Mai hatte Novo Nordisk überraschend Konzernchef Lars Fruergaard Jörgensen entlassen. Hintergrund waren Befürchtungen, das Unternehmen könne seinen Vorsprung im hart umkämpften Markt für Adipositas-Medikamente verlieren. Sein Nachfolger Mike Doustdar leitete eine Umstrukturierung ein, die auch den Abbau von 9000 Arbeitsplätzen vorsieht. Der Streit im Aufsichtsrat sorgt nun für neue Unruhe bei Novo Nordisk, das im vergangenen Jahr dank des Erfolgs von Wegovy zum wertvollsten Konzern Europas aufgestiegen war. In diesem Jahr ist die Aktie jedoch um mehr als 40 Prozent eingebrochen, da Konkurrent Eli Lilly Marktanteile gewonnen hat.

“Meine Vermutung ist, dass die Novo Nordisk Stiftung immer noch unzufrieden mit der derzeitigen Aufstellung des Unternehmens ist und mehr Einfluss nehmen will”, sagte Markus Manns, Portfoliomanager beim Novo-Aktionär Union Investment, der Nachrichtenagentur Reuters. Es habe Auseinandersetzungen über die künftige Zusammensetzung des Aufsichtsrats gegeben, vermutlich auch unterschiedliche Vorstellungen über die strategische Ausrichtung des Konzerns. Der von der Stiftung vorgeschlagene neue Vorsitzende sei “sehr qualifiziert”, seine Erfahrung könne dem Unternehmen helfen.

Lukas Leu, Portfoliomanager beim Aktionär ATG Healthcare, zeigte sich dagegen irritiert: “Ich verstehe es nicht wirklich – warum muss der alte CEO der neue Vorsitzende werden? Das gefällt mir nicht.” Claus Henrik Johansen, Chef des dänischen Gesundheitsfonds Global Health Invest, sprach von einer Machtdemonstration des Großaktionärs. “Die Stiftung übernimmt nun für eine gewisse Zeit die Kontrolle”, sagte er. “Ich werde sehr genau verfolgen, ob sich daraus neue Initiativen ergeben, um Wachstum und Innovation wiederzubeleben.”

(Bericht von Jacob Gronholt-Pedersen, Stine Jacobsen und Maggie Fick, geschrieben von Patricia Weiß, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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