Berlin (Reuters) – Die deutsche Logistikbranche blickt einem unsicheren Jahr 2026 entgegen und dürfte dann nur leicht zulegen.Im wahrscheinlichsten Szenario sei mit einem realen Wachstum von 0,5 Prozent zu rechnen, teilte der Branchenverband BVL am Mittwoch zur Prognose der sogenannten Logistikweisen mit. Nominal belaufe sich das Plus auf 2,6 Prozent. Angesichts der unsicheren weltwirtschaftlichen und geopolitischen Lage legte die Expertengruppe aus Wissenschaft und Wirtschaft erstmals drei verschiedene Szenarien vor statt einer einzelnen Punktprognose.
Der breite Korridor der Schätzung spiegele die erheblichen Unsicherheiten wider, hieß es. Im optimistischen Fall sei 2026 zwar ein reales Wachstum von 1,1 Prozent möglich. Im pessimistischen Szenario müsse sich die Branche aber auf ein Minus von 0,4 Prozent einstellen. Die Lage im Herbst 2025 schätzen die Fachleute als leicht negativ ein, auch wenn die Investitionsabsichten stabil seien. Die grundsätzliche Stimmung bleibe abwartend.
Als Gründe für ihre Skepsis nannten die Experten mehrere Faktoren. So bleibe die welt- und handelspolitische Lage unsicher. Zudem sei mit einer Zunahme von Cyber-Angriffen zu rechnen, die einen relevanten Anteil der IT-Budgets binden würden. Große Hoffnungen setze die Branche in Effizienzsteigerungen durch mehr Automatisierung, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI).
Wie aus einer Studie der Bundesvereinigung Logistik (BVL) hervorgeht, bleiben Cybersicherheit und Digitalisierung der Geschäftsprozesse die wichtigsten Knackpunkte der Branche und im Management von Lieferketten. “Deutlich aufgestiegen in der Relevanz sind die Themen Automatisierung und Künstliche Intelligenz”, erklärte der BVL-Vorstandsvorsitzende Kai Althoff. Dies zeige, dass die digitale Transformation in vollem Gange sei und auch in den nächsten Jahren das übergreifende Thema sein werde. “Gleichzeitig haben Fachkräftemangel und Nachhaltigkeit stark an Bedeutung verloren.” Das spiegele zum einen die aktuelle wirtschaftliche Lage wider und zum anderen den veränderten gesellschaftlichen und politischen Fokus.
Viele Firmen versuchen vor allem, ihre Lieferketten krisenfester zu machen. “In den aktuellen konjunkturschwachen Zeiten sorgt eine mangelnde Auslastung aufgrund fehlender Mengen bei gleichen – oder teils gestiegenen – Kosten sehr direkt für erhöhten Margendruck”, erläuterte Martin Schwemmer von der Hochschule Heilbronn.
Als Reaktion auf die Herausforderungen schlug der Expertenkreis der Logistikweisen ein Maßnahmenpaket vor. Unter dem Titel “Logistics Innovations Made in Germany” wird etwa ein praxisorientiertes Innovationsprogramm für die Logistik gefordert. Zudem empfehlen die Fachleute ein stärkeres Vernetzen durch Open-Source-Ansätze und eine modernere Unternehmenskultur. Die Initiative der Logistikweisen tagt zweimal jährlich, um die Entwicklung des Standorts Deutschland zu analysieren.
(Bericht von Klaus Lauer; redigiert von Reinhard Becker und Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)