Von China überholt: USA nicht mehr deutscher Handelspartner Nr. 1

– von Rene Wagner und Maria Martinez

Berlin (Reuters) -Die USA sind nicht mehr der wichtigste deutsche Handelspartner, sondern China. Mit den Vereinigten Staaten wurden von Januar bis August Güter im Wert von 162,8 Milliarden Euro gehandelt, während sich der Warenaustausch mit China auf 163,4 Milliarden Euro summierte. Das geht aus Berechnungen der Nachrichtenagentur Reuters auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes hervor. Noch im ersten Halbjahr hatten die USA vorn gelegen. Erst 2024 nahmen sie China den Titel als wichtigster deutscher Handelspartner ab, den die Volksrepublik von 2016 bis 2023 trug.

Gründe für den Wechsel sind zum einen sinkende deutsche Exporte in die USA wegen der hohen Zölle von Präsident Donald Trump, zum anderen eine Importflut von Waren aus China. So brachen die deutschen Lieferungen in die Vereinigten Staaten in den ersten acht Monaten des Jahres um 7,4 Prozent auf 99,6 Milliarden Euro ein. “Fraglos ist die US-amerikanische Zoll- und Handelspolitik ein wichtiger Grund für den Absatzrückgang”, sagte der Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, Dirk Jandura. “So ist die Nachfrage nach klassischen deutschen Exportgütern – Autos, Maschinen, Chemie – in den USA gesunken.” Bei pharmazeutischen Produkten sowie IT und Elektronik gebe es zwar leichte Zuwächse. Dies habe die Verluste der Kernbranchen aber nicht kompensieren können. Die Importe von US-Waren wuchsen um 1,4 Prozent auf 63,2 Milliarden Euro. Daraus ergibt sich ein Handelsvolumen – Exporte und Importe addiert – von rund 162,8 Milliarden Euro.

“IMPORT-BOOM IST BESORGNISERREGEND”

Das Handelsvolumen mit China summiert sich auf 163,4 Milliarden Euro. Zwar brachen die Exporte in die Volksrepublik mit 13,5 Prozent auf 54,7 Milliarden Euro noch stärker ein als die in die USA – auch weil das Land viele Waren inzwischen selbst herstellt, die früher in Deutschland eingekauft wurden. Dafür wuchsen die Importe aus China mit 8,3 Prozent auf 108,8 Milliarden Euro sehr stark.

“Den Import-Boom aus China sehen wir zunehmend kritisch”, sagte Jandura. “China flutet den europäischen Markt mit preisaggressiven Produkten, oft aus staatlich subventionierter Überproduktion.” Das betreffe vor allem Batterien, Maschinen, Metallerzeugnisse und chemische Vorprodukte. Ökonomen der Großbank ING sehen das ähnlich. “Der erneute Import-Boom aus China ist besorgniserregend”, sagte auch Chefvolkswirt Carsten Brzeski. “Zumal Daten zeigen, dass diese Einfuhren zu Dumpingpreisen erfolgen.” Das erhöhe nicht nur die Abhängigkeit Deutschlands von China, sondern könnte auch den Druck auf Schlüsselindustrien erhöhen. “Denn China ist für viele wichtige deutsche Industriezweige zu einem Systemkonkurrenten geworden”, sagte Brzeski. Er sprach zudem von einer “Verlagerung des chinesischen Handels weg von den USA, hin zur EU”. Trump hat chinesische Waren mit besonders hohen Zöllen belegt.

“PROTEKTIONISMUS IST KEINE STRATEGIE”

Der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) warnt davor, darauf mit höheren Handelshürden zu reagieren. “Protektionismus ist ein Reflex, keine Strategie”, sagte BGA-Präsident Jandura. “Europa sollte keine Mauern errichten, sondern in Innovation, Resilienz und Diversifizierung investieren.” Auch “Buy-European”-Vorgaben seien kurzsichtig. Sie würden Aufträge verteuern und die Steuerzahler belasten. “Besser wäre, Qualitätsanforderungen zu schärfen und die Marktüberwachung zu stärken, damit nur Produkte, die unseren Standards entsprechen, in die EU gelangen”, forderte Jandura.

Er geht davon aus, dass die Preise für viele chinesische Importe weiter sinken werden. “China wird weiter versuchen, seine Erzeugerpreisdeflation nach Europa, aber auch in den Rest der Welt zu exportieren”, sagte Jandura. “Das verstärkt den Wettbewerbsdruck auf deutsche Unternehmen national wie weltweit.” Daher müssten die Bemühungen um den Abschluss von ausverhandelten sowie weiteren, neuen Freihandelsabkommen wie mit Indien, Indonesien, Australien oder den lateinamerikanischen Mercosur-Staaten zunehmen.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Elke Ahlswede. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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