Europäer wollen Musk bei Satelliten wieder Paroli bieten

– von Tim Hepher und Giulia Segreti

Rom/Paris (Reuters) – Mit einem großen europäischen Satellitenkonzern wollen sich die drei Hersteller Airbus, Thales und Leonardo von dem US-Konkurrenten Starlink von Elon Musk nicht mehr abhängen lassen.

Nach fast zwei Jahre andauernden Verhandlungen haben sich die drei Partner aus Frankreich und Italien auf eine Grundsatzvereinbarung (Memorandum of Understanding) geeinigt, ihre verlustreichen Satellitensparten und Tochtergesellschaften bis 2027 zusammenzulegen, wie sie am Donnerstag mitteilten. Die einstigen Pioniere der Branche haben die Vorherrschaft längst eingebüßt, weil Musks SpaceX, aber auch chinesische Anbieter Satelliten inzwischen günstiger in die Erdumlaufbahn schießen.

Die drei Vorstandschefs von Airbus, Thales und Leonardo, Guillaume Faury, Patrice Caine und Roberto Cingolani, sprachen von einem “wichtigen Meilenstein für die europäische Raumfahrtindustrie”. Es gehe darum, Europa “auf dem zunehmend dynamischen globalen Raumfahrtmarkt stärker und wettbewerbsfähiger zu machen”.

Das fusionierte, noch namenlose Unternehmen, das 2027 den Betrieb aufnehmen soll, kommt mit 25.000 Mitarbeitern auf einen Umsatz von rund 6,5 Milliarden Euro. In den Verhandlungen war es als “Project Bromo” bezeichnet worden. Konkret werden Thales Alenia Space und Telespazio – zwei Joint Ventures der Rüstungskonzerne Thales und Leonardo – mit zwei Airbus-Töchtern und dem Rest der Satellitengeschäfte von Leonardo und Thales unter einer gemeinsamen Holding gebündelt. Investmentbankern zufolge wird diese mit sechs Milliarden Euro bewertet. Die Ariane-Trägerraketen sind ausgeklammert. Sitz werde Toulouse sein, die Produktionsstandorte verteilen sich auf Frankreich, Deutschland, Italien und Großbritannien.

Die vorliegenden Aufträge reichten aus, um das neue Unternehmen drei Jahre auszulasten, hieß es in der Mitteilung. Bis 2027 soll der Umsatz auf rund acht Milliarden Euro wachsen. Ziel sei, “einen einheitlichen, integrierten und resilienten europäischen Akteur im Raumfahrtsektor zu schaffen, der über die erforderliche kritische Masse verfügt, um im globalen Wettbewerb zu bestehen und auf Exportmärkten zu wachsen”, erklärten die Fusionspartner. Frankreichs Finanzminister Roland Lescure sagte, der Zusammenschluss stärke die europäische Souveränität in einem intensiven globalen Wettbewerb.

Airbus werde zunächst 35 Prozent der Anteile halten, die beiden Partner je 32,5 Prozent. Mit Ausgleichszahlungen sollen es am Ende jeweils 33,3 Prozent sein. Die Führung des neuen Satellitenkonzerns sollen sich die drei Partner “ausgewogen” teilen. Eine regelmäßige Rotation an der Spitze, um alle drei zu berücksichtigen, sei nicht geplant, sagte ein Airbus-Manager. Vorbild für die Struktur ist das 2001 gegründete Raketen-Joint-Venture MBDA, an dem Airbus, Leonardo und die britische BAE Systems beteiligt sind. Wichtige Entscheidungen müssen dort von allen Partnern abgesegnet werden.

KEIN GRÖßERER STELLENABBAU MEHR GEPLANT

Innerhalb von fünf Jahren lasse sich der operative Gewinn durch Synergieeffekte um einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag verbessern, teilten die Partner mit. Leonardo erklärte, das Unternehmen werde vom ersten Tag an profitabel sein. Airbus hat schon eine Sparrunde im Satellitengeschäft hinter sich, die drei Unternehmen zusammen haben bereits 3000 Stellen in den jeweiligen Sparten gestrichen. Der größte Teil des Abbaus sei damit bereits bewältigt, sagte ein Airbus-Manager.

Die Verhandlungen hatten sich hingezogen, weil sich die drei Partner über die Bewertung und die Führungsstrukturen lange nicht einig geworden waren. Zwischen Airbus, Thales und Leonardo hatte es in der Vergangenheit immer wieder Spannungen gegeben. Beim Kampfflugzeug-Projekt FCAS ringen Thales und Airbus derzeit verbissen um die Vorherrschaft. Andererseits arbeiten sie bei vielen Projekten auch zusammen.

Vor der offiziellen Gründung des Gemeinschaftsunternehmens stehen den Partnern nun langwierige Gespräche mit Regierungen, Gewerkschaften, vor allem aber mit der EU-Kommission bevor. Die Wettbewerbshüter hatten vergleichbare Initiativen in der Vergangenheit unterbunden. Die drei Vorstandschefs Faury, Caine und Cingolani argumentierten in der gemeinsamen Erklärung damit, dass die Konkurrenz in den USA und China sitze und Europa auch im militärischen Bereich nicht auf andere Länder angewiesen sein dürfe: “All dies dient dem Ziel, Europas Autonomie im strategisch wichtigen Raumfahrtsektor mit seinen zahlreichen Anwendungen sicherzustellen.”

(Weitere Reporter: Alexander Hübner, Elvira Pollina und Mathieu Rosemain, redigiert von Myria Mildenberger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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