Berlin (Reuters) – Top-Ökonom Jens Südekum fordert angesichts der drohenden Chipkrise und der Abhängigkeit von China eine verstärkte Halbleiterproduktion in Deutschland.
“Es sind noch mehr Investitionen in die Resilienz notwendig”, sagte der Berater von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters. Das sei zuallererst die Aufgabe der Unternehmen. “Aber die Politik kann durchaus helfen”, sagte der Experte vom Düsseldorf Institute for Competition Economics. “Es zeigt sich, dass es trotz des Negativbeispiels Intel in Magdeburg wichtig bleibt, heimische Wertschöpfungsketten im Bereich der Halbleiterindustrie aufzubauen.” Trotz milliardenschwerer Subventionen hatte der US-Konzern den Bau einer Fabrik abgeblasen.
Der Fokus müsse dabei auf Chips der allerhöchsten Qualität liegen – nicht auf der relativ billigen Standardware, um die es sich derzeit drehe. “Denn es geht letztlich darum, dass Europa in den geopolitisch rauen Zeiten Faustpfande aufbaut – also technologisch hochwertige Güter, die auch von den USA und China dringend benötigt werden”, forderte der Experte. Südekum zufolge haben sich die Unternehmen seit der Corona-Pandemie schon stark engagiert bei der Diversifizierung ihrer Lieferketten – doch offenbar noch nicht stark genug. “Die Abhängigkeiten, insbesondere von China, bleiben hoch.”
Volkswagen hat einem Zeitungsbericht zufolge Beschäftigte vor einem Produktionsstopp aufgrund eines drohenden Mangels an Bauteilen gewarnt. Hintergrund ist der Konflikt um den niederländischen Chiphersteller Nexperia. Er gehört einem chinesischen Konzern und ist in den Handelskrieg zwischen China und den USA geraten. Das könnte dazu führen, dass die Lieferung von elektronischen Steuerungen mit Halbleitern von Nexperia bald versiegt. Der europäische Automobilverband ACEA und der Verband der Automobilindustrie haben ebenfalls bereits vor Produktionsausfällen gewarnt und die Politik zum Eingreifen aufgefordert.
(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Myria Mildenberger – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)