Frankfurt/Zürich (Reuters) – Trotz des Vorsprungs der Branchenführer Novo Nordisk und Eli Lilly sieht der Schweizer Pharmakonzern Roche für sich gute Chancen im milliardenschweren Markt für Adipositas-Medikamente.
“Wir kratzen erst an der Oberfläche dieses Marktes”, sagte Konzernchef Thomas Schinecker am Donnerstag nach Vorlage der Neunmonatszahlen. Der Markt sei so groß, dass Roche mit seinem mehrgleisigen Forschungsansatz gute Chancen habe, zu einem der führenden Anbieter aufzusteigen. Bis 2035 werde voraussichtlich die Hälfte der Weltbevölkerung übergewichtig sein, das Potenzial sei entsprechend enorm, sagte Schinecker. Aufgrund einer starken Geschäftsentwicklung in den ersten neun Monaten hob Roche zudem die Gewinnprognose für das laufende Jahr an.
Roche hatte im September das Ziel ausgegeben, bei Therapien gegen Übergewicht zu den drei größten Anbietern gehören zu wollen. Der Konzern war 2023 mit der Übernahme der US-Biotechfirma Carmot in das boomende Geschäft eingestiegen. Schätzungen zufolge könnte der Markt für Schlankheitsmittel bis Anfang der 2030er-Jahre auf ein Volumen von 150 Milliarden Dollar anwachsen. Schinecker zufolge liegt die Zukunft bei Medikamenten, die gleichzeitig auf zwei Rezeptoren wirken: GLP-1 und GIP. Diese Rezeptoren helfen, den Blutzucker nach dem Essen zu regulieren und beeinflussen das Hungergefühl. Die bekannte Abnehmspritze Wegovy von Novo dagegen wirkt nur auf den GLP-1-Rezeptor. Aber auch der dänische Rivale forscht bereits an dual wirkenden Mitteln.
Für 2025 erwartet Schinecker nun ein Wachstum des Kerngewinns je Aktie im hohen einstelligen bis niedrigen zweistelligen Bereich. Zuvor hatte das Unternehmen einen hohen einstelligen Zuwachs prognostiziert. Roche könne nun die geopolitischen Risiken besser einschätzen, sagte der Konzernchef. “Wir sind zwei Monate vor dem Jahresende, wir haben eine Reihe von Gegenmaßnahmen ergriffen, daher fühlen wir uns in einer guten Position.”
Dank einer starken Nachfrage nach neueren Medikamenten stieg der Umsatz in den ersten neun Monaten währungsbereinigt um sieben Prozent auf 45,9 Milliarden Franken. Nominal entsprach das einem Plus von zwei Prozent. Belastend wirkten der starke Franken und ein schwächerer Dollar. Die Pharmasparte steigerte den Umsatz bereinigt um Währungseffekte um neun Prozent und blieb damit der wichtigste Wachstumstreiber. Die Diagnostiksparte wuchs währungsbereinigt dagegen nur um ein Prozent, weiterhin belastet von Preisreformen in China.
PRALL GEFÜLLTE PIPELINE SOLL WACHSTUM SICHERN
Die positive Dynamik spiegele sich auch in der Entwicklungspipeline wider, erklärte der Konzernchef. Das durchschnittliche Spitzenumsatzpotenzial der Pipeline-Projekte sei seit 2023 um 57 Prozent gestiegen, der Gesamtwert der Pipeline um 27 Prozent. Roche habe zehn Therapien in die letzte Phase der klinischen Entwicklung gebracht. “Das ist ein absoluter Rekord für uns.” Dazu zählen etwa der Blutdrucksenker Zilebesiran, der Adipositas-Wirkstoff CT-388 – den sich Roche mit der Carmot-Übernahme sicherte – und das Krebsmittel Cevostamab. Bis Ende des Jahrzehnts erwarte Roche Studienergebnisse für bis zu 19 neuartige Arzneimittel, von denen 16 das Potenzial für Milliardenumsätze hätten.
Um mögliche Belastungen durch US-Zölle abzufedern, hat Roche eine Reihe von Gegenmaßnahmen ergriffen, wie Schinecker bekräftigte. So sei die Produktion in den 13 US-Werken hochgefahren und Lagerbestände erhöht worden. Die Lage sei “absolut beherrschbar”. Man befinde sich in guten Gesprächen mit der US-Regierung.
(Bericht von Patricia Weiß, redigiert von Myria Mildenberger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)