EZB legt dritte Pause in Folge ein: Ist Zeit der Zinssenkungen vorbei?

Florenz/Berlin (Reuters) – Die EZB hat zum dritten Mal in Folge beim Leitzins pausiert und auch kein Signal für eine künftige Senkung gesetzt.

Auf der auswärtigen Sitzung in Florenz beließ der EZB-Rat den Einlagensatz am Donnerstag bei 2,0 Prozent. Diesen erhalten Banken für das Parken überschüssiger Gelder bei der EZB. Er dient als maßgebliches Steuerungselement für die Geldpolitik im Euroraum. Die Währungshüter hatten ihn bereits im Juli und September konstant gehalten. EZB-Präsidentin Christine Lagarde ließ sich vor der Presse nicht entlocken, wie es weitergeht: “Aus geldpolitischer Sicht befinden wir uns in einer guten Position”, betonte die Französin. Viele Experten erwarten, dass nun längere Zeit Ruhe an der Zinsfront herrschen wird.

“Sollte sich nicht doch noch das Wachstum der Euro-Zone deutlich verlangsamen, kann der Zinssenkungszyklus der EZB als beendet gelten”, meint VP Bank-Chefvolkswirt Thomas Gitzel. Nach einer längeren Zinspause dürfte seiner Ansicht nach wohl der nächste Zinsschritt nach oben gehen. Lagarde äußerte sich jedoch nicht dazu, in welche Richtung es gehen könnte: Die EZB werde aber alles Notwendige dafür tun, um sicherzustellen, dass man weiter geldpolitisch gut positioniert bleibe.

Die Inflationsrate in der Euro-Zone war im September zwar mit 2,2 Prozent erstmals seit April wieder über die EZB-Zielmarke geklettert. Für die am Freitag anstehenden frischen Preisdaten aus dem Euroraum rechnen Experten für Oktober mit einem Rückgang der Teuerungsrate auf 2,1 Prozent.

“Inflationstreiber wie die noch immer hohe Teuerung bei Dienstleistungen halten sich ungefähr die Waage mit deflationären Kräften wie dem starken Euro-Wechselkurs”, meinte der frühere EZB-Direktor und jetzige Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Asmussen. Er erwartet für Dezember keine Zinsänderung. “Ob es noch zu einer weiteren Zinssenkung kommen wird, ist im Augenblick Kaffeesatzleserei. Dazu müsste es nochmals einen Konjunktureinbruch oder Anzeichen einer Kreditklemme geben”, argumentiert Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank.

WIRTSCHAFT LÄUFT ETWAS BESSER ALS GEDACHT

Die EZB hatte von Juni 2024 bis Juni 2025 im Zuge einer nachlassenden Inflation die Zinsen insgesamt achtmal gesenkt. Für den Fall einer krisenhaften Zuspitzung in der Euro-Zone und der Weltwirtschaft sollte die Notenbank “genug Pulver trocken halten”, wie es der österreichische Notenbankchef Martin Kocher jüngst formulierte. Die EZB bleibt laut Lagarde auf der Hut: “Geopolitische Spannungen, insbesondere Russlands ungerechtfertigter Krieg gegen die Ukraine, bleiben eine große Quelle der Unsicherheit.”

In der Wirtschaft des Euroraums lief es zuletzt etwas besser als erwartet: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte im Sommer um 0,2 Prozent zu, während Experten nur ein Mini-Plus beim BIP von 0,1 Prozent auf dem Schirm hatten. Lagarde betonte, das Wachstum hätte zwar höher ausfallen können, sei unter den gegebenen Umständen aber kein Grund zur Klage.

Nach Einschätzung von DIW-Präsident Marcel Fratzscher sind die Risiken für die Wirtschaft im Euroraum allerdings nach wie vor zahlreich und deuten auf eine weitere wirtschaftliche Abschwächung hin: “Die Handelskonflikte, der Krieg in der Ukraine, die politische Lähmung in Ländern wie Frankreich sowie Finanzmarktrisiken dürften sich deutlich negativ auf die Konjunktur und damit auf die Inflation im Euroraum auswirken.” Dennoch lasse die EZB ein starkes Signal für etwaige Zinssenkungen vermissen.

(Bericht von Reinhard Becker, Francesco Canepa und Balazs Koranyi; Redigiert von Hans Busemann)

tagreuters.com2025binary_LYNXMPEL9T0SH-VIEWIMAGE