Inflation im Euroraum lässt nach – “Problem auf ersten Blick gelöst”

Berlin (Reuters) – Die Inflation in der Euro-Zone nähert sich dem von der Europäischen Zentralbank (EZB) gesteckten Ziel.

Waren und Dienstleistungen verteuerten sich im Oktober um durchschnittlich 2,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das EU-Statistikamt Eurostat am Freitag in einer ersten Schätzung mitteilte. Im September war die Teuerungsrate noch auf 2,2 Prozent gestiegen. Die EZB peilt einen Wert von zwei Prozent an, den sie als optimal für die Konjunktur in der Währungsgemeinschaft erachtet.

“Auf den ersten Blick ist das Inflationsproblem im Euroraum gelöst”, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Aber ohne die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Nahrungsmittel verharrte die Teuerungsrate mit 2,4 Prozent noch deutlich über der Zwei-Prozent-Marke, während die Preise für Dienstleistungen mit 3,4 Prozent wieder stärker anzogen als im September mit 3,2 Prozent. “Die hartnäckige unterliegende Inflation spricht dagegen, dass die EZB ihre Leitzinsen weiter senkt”, sagte Krämer.

Der EZB-Rat beließ den Leitzins am Donnerstag auf seiner auswärtigen Ratssitzung in Florenz zum dritten Mal in Folge unverändert bei 2,0 Prozent. EZB-Präsidentin Christine Lagarde gab keine Signale, wie es weitergeht. “Aus geldpolitischer Sicht befinden wir uns in einer guten Position”, betonte sie. Viele Experten erwarten, dass nun längere Zeit Ruhe herrschen wird. Die EZB hatte von Juni 2024 bis Juni 2025 im Zuge einer nachlassenden Inflation die Zinsen insgesamt achtmal gesenkt.

“KÖNNTE KONSUM STÄRKEN”

Nachgelassen hat der starke Preisanstieg bei Nahrungsmitteln, Alkohol und Tabak: Diese verteuerten sich nur noch um 2,5 Prozent im Vergleich zum Oktober 2024. Zuvor waren die Preise hier fünf Monate in Folge um drei Prozent und mehr gestiegen. “Der deutliche Rückgang der hohen Lebensmittelinflation könnte dazu beitragen, die Verbraucherstimmung zu heben und den Konsum zum Jahresende hin zu stärken”, sagte Ökonomin Stephanie Schönwald von KfW Research. “Preisentwicklungen bei alltäglichen Einkäufen fallen bei der Wahrnehmung überproportional stark ins Gewicht.”

Experten der EZB-Geldpolitik gehen davon aus, dass die Inflation in der 20-Länder-Gemeinschaft im kommenden Jahr das Ziel der Notenbank von zwei Prozent unterschreiten wird. Sie veranschlagen für 2026 nach wie vor eine durchschnittliche Teuerungsrate von 1,8 Prozent, wie aus der vierteljährlichen EZB-Umfrage hervorgeht. 2027 soll sie auf 2,0 Prozent steigen. Für das laufende Jahr erwarten sie nun eine etwas höhere durchschnittliche Teuerungsrate von 2,1 (bisher: 2,0) Prozent.

Trotz der aktuellen Pause könnte für die EZB das Thema Zinssenkung laut Insidern noch nicht vom Tisch sein. Die im Dezember anstehenden Inflationsprojektionen dürften demnach intern zum Anlass genommen werden, um das Thema Lockerung anzusprechen, wie mehrere Insider der Nachrichtenagentur Reuters sagten. Die EZB wird im Dezember Prognosen veröffentlichen, die bis in das Jahr 2028 reichen. In der Projektion vom September war für 2027 eine Inflationsrate von 1,9 Prozent veranschlagt worden, womit das Ziel der Notenbank von 2,0 Prozent knapp unterschritten würde. Einige EZB-Ratsmitglieder sind laut den Insidern der Ansicht, dass klare Anzeichen für eine anhaltende Unterschreitung des Inflationsziels im Jahr 2028 eine Diskussion über eine Zinssenkung auf der Dezember-Sitzung rechtfertigen würden.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Sabine Ehrhardt – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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