Pistorius will Bundeswehr radikal reformieren und Truppe agiler machen

Berlin (Reuters) – Verteidigungsminister Boris Pistorius hat bei der Bundeswehr zahlreiche Reformen angekündigt und einen Mentalitätswechsel mit mehr Mut zu Entscheidungen angemahnt.

“Wenn jeder nur ein bisschen zuständig ist, ist am Ende niemand verantwortlich”, sagte der SPD-Politiker am Freitag auf der Bundeswehrtagung in Berlin. Er wolle den Grundsatz “Führen mit Auftrag” mit neuem Leben erfüllen. Führung bedeute, Entscheidungen zu treffen, auch wenn sie unbequem seien. Auch Bundeskanzler Friedrich Merz forderte in einer Videobotschaft Reformen und mehr Tempo. “Den Bedrohungen von heute können wir nicht mit den Verwaltungsvorschriften von gestern begegnen.” Generalinspekteur Carsten Breuer warnte, Russland dürfe niemals annehmen, einen Krieg mit der Nato gewinnen zu können. Dies müsse bis 2029 sichergestellt sein.

Pistorius machte deutlich, dass er den Ukraine-Krieg nicht für das Ende der russischen Expansionsabsichten halte: “Russland rüstet sich für einen weiteren Krieg.” Dafür müsse die Bundeswehr im Inneren beweglicher werden: Pistorius kündigte eine Reihe tiefgreifender Reformen an, die teils in Gesetzesform gegossen werden sollen. Im Wesentlichen soll dies bis Ostern 2026 abgeschlossen sein. Kern ist eine Neuaufstellung beim Personal, um die Truppe angesichts der russischen Bedrohung schnell zu vergrößern und beweglicher zu machen. Neben einem neuen Wehrdienstgesetz, das auf eine verpflichtende Erfassung und Musterung setzt, soll die Reserve deutlich gestärkt werden. So sollen ehemalige Soldaten gezielt für die Reserve angesprochen werden.

Auch will der Minister mit einem Brief an alle Zeit- und Berufssoldaten dafür werben, ihre Dienstzeit zu verlängern. Ziel ist es, die Bundeswehr von derzeit etwa 182.000 Soldaten bis Mitte der 30er Jahre auf rund 460.000 wachsen zu lassen. Zu dem im Parlament umstrittenen Wehrdienstgesetz zeigte er sich optimistisch: “Ich bin zuversichtlich, dass wir in den nächsten Tagen eine Einigung erzielen.”

PISTORIUS: VERTEIDIGUNG IST EINE SACHE FÜR DEN GESAMTSTAAT

Pistorius warb zudem für ein gesamtstaatliches Verständnis von Verteidigung. Staat, Wirtschaft und Gesellschaft trügen gemeinsam die Verantwortung. Dies gelinge jedoch nur, wenn Zuständigkeiten geklärt und Prozesse geübt seien. “Was wir nicht üben, können wir nicht, wenn es drauf ankommt”, mahnte der Minister. Dabei seien Bundesländer und Kommunen “tragende Säulen”.

Um die Verteidigungsfähigkeit zu stärken, will der Minister zudem den Ausbau der Infrastruktur beschleunigen. Ein bis zum Jahresende auszuarbeitendes Infrastrukturbeschleunigungsgesetz solle langwierige Genehmigungsverfahren und andere bürokratische Hürden beseitigen. “Eine neue Liegenschaft darf nicht erst nach einem Jahrzehnt Realität werden”, sagte Pistorius.

(Bericht von: Markus Wacket; redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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