Berlin (Reuters) – Die Wehrdienst-Experten der Koalition haben sich nach einer Experten-Anhörung im Bundestag zuversichtlich zu einer raschen Einigung auf ein Gesetz gezeigt.
Man werde “sicherlich in dieser Woche einen sehr großen Schritt weiterkommen”, sagte die Vize-Fraktionschefin der SPD, Siemtje Möller, am Montag in Berlin. Ziel sei es, “zu Beginn des nächsten Jahres auch in die Umsetzung dieses Gesetzes und des neuen Wehrdienstes” zu kommen. Auch Unions-Vize-Fraktionschef Norbert Röttgen zeigte sich optimistisch, den Zeitplan einzuhalten. Er sei zuversichtlich, die Gesetzgebung im Dezember abschließen zu können. “So sieht es jedenfalls heute aus.” Die eigentliche Neuerung sei der Übergang zu einem “Bedarfswehrdienst”, der sich am militärischen Bedarf orientiere.
Mit Blick auf eine Pflicht, die bei nicht ausreichenden Freiwilligen greifen könnte, verteidigte Röttgen den Vorschlag für ein Losverfahren. “Wir haben diesen Vorschlag gemacht, dass das Losverfahren das Gerechteste ist, das Fairste ist, weil es Willkür ausschließt. Und wir stellen bis zum heutigen Tage fest, dass ein anderer Vorschlag noch nicht gemacht worden ist.”
Nach ursprünglichen Vorstellungen der Arbeitsgruppe sollten bei fehlenden Rekruten erst mehr per Los gemustert und notfalls auch nach einem Regierungs- und Bundestagsbeschluss eingezogen werden. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sieht das Losverfahren kritisch und will ab Sommer 2027 möglichst einen ganzen Jahrgang von 18-Jährigen mustern. 2026 sollen dem Entwurf zufolge zunächst alle jungen Männer und Frauen per Fragebogen angeschrieben werden, ob sie freiwillig für sechs Monate dienen wollen. Männer müssen ihn beantworten, Frauen können. Von einem Jahrgang von rund 300.000 18-jährigen Männern sollen 2026 zunächst 20.000 gewonnen werden.
KRITIK AM WEHRDIENST-ENTWURF IN ANHÖRUNG
Im Bundestag hatten Jugendvertreter zuvor kritisiert, dass sie in der Debatte zu wenig berücksichtigt wurden. “Man braucht junge Menschen, man braucht sie für den Dienst an ihrem Land, man braucht sie für die Landesverteidigung”, hatte Bundesschülersprecher Quentin Gärtner gesagt. “Trotzdem möchte man sie nicht einbeziehen. Das ist ein Fehler.” Daniela Broda vom Deutschen Bundesjugendring fragte: “Warum nur die Jungen?” Auch Menschen zwischen 20 und 60 Jahren könnten ihre Bereitschaft zum Wehrdienst erklären.
EXPERTEN HALTEN FREIWILLIGKEIT NICHT FÜR AUSREICHEND
Der Militärhistoriker Sönke Neitzel bezweifelte, dass Freiwilligkeit ausreiche, um bis Mitte der 2030er Jahre die Zielgröße von 280.000 aktiven Soldaten und 200.000 Reservisten zu erreichen. Derzeit sind es rund 182.000 Aktive und 100.000 Reservisten. Neitzel kritisierte den Entwurf: “Er ist meines Erachtens ein weiteres Dokument des Zögerns und Zauderns.” Zwar sei die vorgesehene generelle Musterung ab Sommer 2027 ein Schritt in die richtige Richtung. Dennoch sei das Vorhaben angesichts der russischen Bedrohung ein weiterer Beleg der Halbherzigkeit seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine.
(Bericht von Markus Wacket; redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)











