Berlin/Brüssel (Reuters) – Im Europaparlament hat eine Mehrheit aus Christdemokraten und rechten Parteien für eine Lockerung der EU-Lieferkettenrichtlinie gestimmt.
Die Abgeordneten votierten am Donnerstag nach monatelangem Druck von Unternehmen und einigen Ländern für einen Entwurf, der zahlreiche Firmen von den Berichtspflichten ausnimmt. Die Grünen und die SPD reagierten empört über die Abstimmung. Der Schulterschluss der konservativen EVP mit den Rechtsextremen sei ein Tabubruch, kritisierte Terry Reintke, Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen-Fraktion im Europa-Parlament. “Der Präzedenzfall soll die Zusammenarbeit mit Rechtsaußen zur Normalität machen.” René Repasi, Chef der deutschen SPD-Delegation in der sozialdemokratischen Fraktion im Europa-Parlament, sprach von einem Ende der sogenannten von-der-Leyen-Koalition der Mitte-Parteien.
Die Vorschriften für Unternehmen bei der Lieferkette ihrer Produkte sind sowohl auf nationaler wie europäischer Ebene umstritten. Das schwarz-rote Kabinett in Berlin hatte im September eine Entschärfung des nationalen Lieferkettengesetzes beschlossen. Kanzler Friedrich Merz forderte zudem eine Entschlackung der europäischen Regulierung. Der Forderung schlossen sich auch andere EU-Regierungen an. Merz kritisierte deshalb am 23. Oktober scharf, dass das Europäische Parlament in einer ersten Abstimmung die von der EU-Kommission vorgelegte Reform der EU-Lieferkettenrichtlinie (sogenanntes Omnibus-Gesetz) ablehnte. “Das ist eine fatale Fehlentscheidung und die muss korrigiert werden”, kritisierte der Kanzler.
Die Mitte-Parteien im Europäischen Parlament hatten sich aber nicht zu einer gemeinsamen Haltung durchringen können, weshalb die EVP nun ihr Konzept offen zur Abstimmung stellte. Dem stimmten die Rechtsaußen-Parteien dann zu. “Wer sich in einer Ehe befindet und andauernd fremdgeht, muss irgendwann damit rechnen, dass die Scheidungspapiere eingereicht werden”, sagte der SPD-Politiker Repasi dem TV-Sender Phoenix dazu. Die CDU schließt in Deutschland eine Zusammenarbeit mit der AfD aus. Bei der EP-Entscheidung sei man aber nicht auf die Stimmen der deutschen Rechtspopulisten angewiesen gewesen, wurde in der EVP betont. EVP-Chef Manfred Weber (CSU) ging auf der Plattform X auf die Vorwürfe nicht ein, sondern betonte nur, dass die Union ihr Versprechen einer Entbürokratisierung halte.
LIEFERKETTENRICHTLINIE WIRD ENTSCHÄRFT
Die ursprünglich im vergangenen Jahr verabschiedete Richtlinie verpflichtet Unternehmen, Menschenrechts- und Umweltprobleme bei Zuliefer-Firmen zu beheben. Bei Verstößen drohen ihnen Geldstrafen von bis zu fünf Prozent des weltweiten Umsatzes. Das Gesetz ist einer der politisch umstrittensten Teile der grünen Agenda der EU. Unter anderem hatten die USA und Katar Änderungen gefordert und gewarnt, die Vorschriften könnten ihre Gaslieferungen nach Europa gefährden. Europäische Konzerne wie TotalEnergies hatten eine Abschaffung verlangt.
Künftig sollen nur noch Firmen mit mindestens 5000 Beschäftigten und einem Umsatz von 1,5 Milliarden Euro der Richtlinie zur unternehmerischen Nachhaltigkeit unterliegen. Bislang gilt diese für Unternehmen ab 1000 Mitarbeitern und einem Umsatz von mehr als 450 Millionen Euro. Zudem wurde die Verpflichtung gestrichen, Pläne zur Einhaltung von Klimaschutzzusagen vorzulegen. Vertreter des Parlaments müssen nun mit den EU-Mitgliedstaaten einen endgültigen Text aushandeln.
Der Bundesverband der deutschen Industrie begrüßte das Votum. “Das ist ein gutes Signal für die europäische Wettbewerbsfähigkeit”, erklärte Wolfgang Niedermark, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung. “Dennoch bedauern wir, dass im Europäischen Parlament keine Mehrheit mit den pro-europäischen Parteien der Mitte erzielt werden konnte”, fügte er hinzu. Die Abstimmung zeige, wie schwierig ein gemeinsames Verständnis für die Wettbewerbsfähigkeit Europas derzeit sei. Ähnlich äußerten sich der DIHK und der BGA.
Der BDI betonte, es sei positiv, dass die ursprünglich geplanten Regelungen zu den Klimaschutzplänen gestrichen und keine weiteren Haftungsklauseln aufgenommen worden seien. Das entlaste europäische Unternehmen und mindere nicht deren Ambitionen in Sachen Klimaschutz. Auch der Autoverband VDA äußerte sich wohlwollend. Das könne “nur der Anfang für einen umfassenden Bürokratieabbau sein”, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Unternehmen sollten nur für Risiken haften, auf die sie tatsächlich Einfluss haben.
(Bericht von Andreas Rinke, Kate Abnett und Philip Blenkinsop; redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)











