Niederlage vor BGH – Wirecard-Aktionäre gehen leer aus

– von Ursula Knapp

Karlsruhe (Reuters) – Die Aktionäre des zusammengebrochenen Zahlungsdienstleisters Wirecard erhalten kein Geld aus der Insolvenzmasse.

Der Bundesgerichtshof (BGH) wies am Donnerstag eine Klage des Fondsanbieters Union Investment gegen Insolvenzverwalter Michael Jaffe zurück. Mit dem Urteil in diesem Pilotverfahren bleibt es bei der üblichen Geldverteilung aus der Verwertung der Überreste insolventer Unternehmen: Aktionäre müssen sich hinter den Gläubigern wie Banken, Auftragnehmern und Mitarbeitern einreihen. Damit dürfte auf diesem Wege bei Wirecard wie bei den Firmenresten vieler anderer Insolvenzen für die Aktionäre nichts übrig bleiben.

Mit seiner Entscheidung hob der für das Insolvenzrecht zuständige IX. Zivilsenat des BGH ein anderslautendes Urteil des Oberlandesgerichts München auf. Nachdem das Münchner Gericht den Aktionären noch Hoffnungen und dem Insolvenzverwalter und den Gläubigern Sorgen gemacht hatte, hatte der BGH bereits in der Verhandlung im Oktober seine Marschrichtung erkennen lassen.

Als Klägerin hatte die von Genossenschaftsbanken getragene Union Investment argumentiert, die Wirecard-Aktionäre seien vom Vorstand bewusst betrogen worden und hätten deshalb Schadenersatzansprüche. Diese seien gleichrangig mit den Forderungen der Gläubiger. Insolvenzverwalter Jaffe und die Gläubiger hingegen hatten als Beklagte die Aktionärsforderungen zurückgewiesen.

AKTIONÄRE MÜSSEN RISIKO TRAGEN

Bei der Urteilsverkündung am Donnerstag verwies der Vorsitzende Richter Heinrich Schoppmeyer auf die Verteilungsordnung des Insolvenzrechts mit einem klaren Vorrang der Gläubiger vor den Anteilseignern. “Diese Verteilungsordnung schützt Fremdkapitalgeber vor Eigenkapitalgebern. Damit unterscheiden sich die Ansprüche grundlegend”, erläuterte Schoppmeyer. Für einen Gleichrang genüge es nicht, die Täuschung der Aktionäre in den Blick zu nehmen. Denn der Zweck eines Aktienkaufs sei der Erwerb einer Beteiligung an dem Unternehmen. “Der Aktionär hat daher die mit seiner Stellung verbundenen Risiken zu tragen”, erklärte der BGH.

Wirecard war an der Börse jahrelang auf einer Erfolgswelle geschwommen. Doch im Juni 2020 brach die Firma aus Aschheim bei München als erster Dax-Konzern zusammen, nachdem sich 1,9 Milliarden Euro, die angeblich auf Treuhandkonten in Asien lagen, als nicht existent entpuppten. Tausende Geschädigte verloren durch die Pleite Geld: Neben den Gläubigern, die dem Unternehmen Kapital geliehen oder Dienstleistungen erbracht hatten, auch 50.000 Aktionäre, die Schadenersatz anmeldeten. So kamen Forderungen von insgesamt 15,4 Milliarden Euro zusammen, denen aber nur eine Insolvenzmasse von bisher 650 Millionen Euro gegenübersteht.

Die Wirecard-Pleite beschäftigt noch immer mehrere Gerichte. Am Freitag kämpfen vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht Aktionäre weiter um die Chance, über ein so genanntes Kapitalanleger-Musterverfahren einen Teil des verlorenen Geldes zurückzubekommen. Beteiligte rechnen noch mit einem langen Verfahren. Auch hier haben sich Kläger bereits darauf eingestellt, dass bei den Unternehmensresten und früheren Managern wenig zu holen ist. Die Wirtschaftsprüfer von EY, auf deren Zahlungskraft die Anleger gesetzt hatten, hat das Gericht in diesem Prozess allerdings aus der Schusslinie genommen. Am Landgericht München dauert unterdessen der Strafprozess gegen den langjährigen Wirecard-Chef Markus Braun und weitere Topmanager an. Ein Urteil wird im Lauf der kommenden Monate erwartet.

(Bericht von Ursula Knapp, bearbeitet von Jörn Poltz, redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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