DIW-Präsident: Beschlüsse des Koalitionsausschusses “schlecht für Wirtschaft”

Berlin (Reuters) – DIW-Präsident Marcel Fratzscher kritisiert den von der schwarz-roten Koalition geplanten Industriestrompreis und die Senkung der Ticketsteuer im Flugverkehr.

“Die Entscheidungen des Koalitionsausschusses scheinen von Lobbyinteressen getrieben und sind schlecht für die deutsche Wirtschaft”, sagte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. “Der Industriestrompreis geht zulasten der großen Mehrheit der deutschen Unternehmen, die letztlich höhere Energiekosten werden zahlen müssen.”

Die Koalitionsspitzen hatten sich am Donnerstagabend auf einen Industriestrompreis von rund fünf Cent geeinigt, der energieintensiven Unternehmen im internationalen Wettbewerb helfen soll. “Das Ziel einer Senkung der Stromkosten ist richtig”, sagte der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick. “Aber Angebotsausweitung und Strompreiszonen wären die bessere Antwort als neue Subventionen.” Regionale Preisunterschiede können Experten zufolge Investitionsanreize für Stromerzeugung und -speicherung schaffen.

“GESCHENK FÜR BESSERVERDIENER”

Geeinigt haben sich Union und SPD zudem darauf, die Luftverkehrsabgabe zu senken und die Branche damit um rund 350 Millionen Euro zu entlasten. “Die Absenkung der Ticketsteuer im Flugverkehr ist ein fatales Signal und unterstreicht, dass die Bundesregierung noch immer nicht die Dringlichkeit zielgerichteter Wirtschaftspolitik verstanden hat und sie sich von Lobbyinteressen vereinnahmen lässt”, kritisierte Fratzscher. “Diese Maßnahme ist letztlich ein Geschenk für Besserverdiener und bedeutet eine Umverteilung von Arm zu Reich.”

Vereinbart wurde auch eine Kraftwerksstrategie zum Bau neuer Gaskraftwerke. 2026 sollen acht Gigawatt Leistung ausgeschrieben werden, die bis 2031 in Betrieb gehen sollen. “Deregulierung im Flugverkehr und Kraftwerkstrategie gehen in die richtige Richtung, sind aber keine Gamechanger”, sagte IfW-Präsident Schularick.

Die Koalitionsspitzen einigten sich außerdem auf einen Deutschlandfonds. Dieser soll als “Andockstelle für privates Kapital” dienen, um neben den bereits auf den Weg gebrachten öffentlichen Investitionen private Gelder zu mobilisieren. Die Ausgestaltung des Deutschlandfonds sei eine gute Entscheidung, sagte Fratzscher. “Allerdings bleibt die Bundesregierung wichtige Details, wie die Höhe der öffentlichen Gelder, schuldig.”

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Sabine Ehrhardt – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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