Koalition schnürt Etat 2026 mit Polster – Opposition spricht von Tricks

– von Holger Hansen

Berlin (Reuters) – Die Koalition aus Union und SPD verschafft sich im Bundeshaushalt 2026 ein Milliardenpolster, um den Spardruck für das Jahr darauf zu verringern.

Nach einer über 15-stündigen Marathonsitzung beschloss der Haushaltsausschuss des Bundestags am Freitagmorgen um 05.40 Uhr den Etat für 2026. Dieser sieht mit Krediten von über 180 Milliarden Euro die zweithöchste Neuverschuldung in der Geschichte der Bundesrepublik vor. Zugleich bewahrt sich die Koalition entgegen bisheriger Ankündigungen eine Rücklage von 9,7 Milliarden Euro für den Haushalt 2027 auf, in dem bisher eine Finanzierungslücke von gut 20 Milliarden Euro klaffte. Die Grünen warfen Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) daher vor, Schulden auf Vorrat zu machen. Die Linke warf der Koalition “Aufrüstung ohne Limit” vor.

Klingbeil ging auf das Milliardenpolster nicht ein, sondern erklärte, 2026 werde “das zweite Jahr der Rekordinvestitionen”. Die Koalition gehe “verantwortungsvoll mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger um”. Für die notwendigen Einsparungen mit Blick auf die kommenden Jahre blieben “alle in der Pflicht”.

OPPOSITION WIRFT KOALITION TRICKSEREI VOR

Gleichwohl verringert der Finanzminister mit der Verschonung der Rücklage den Druck, im Haushalt 2027 an anderer Stelle zu sparen oder die Einnahmen zu erhöhen. “Die Flüchtlingsrücklage wird komplett geschont und steht dann eben für 2027 zur Verfügung”, räumte SPD-Haushälter Thorsten Rudolph ein. Dadurch werde die Haushaltslücke für 2027 deutlich kleiner. Möglich werde dies durch Mehreinnahmen und konjunkturelle Spielräume.

Tatsächlich steigt aber die geplante Neuverschuldung im Haushalt um rund acht Milliarden Euro auf gut 97,9 Milliarden Euro, während die Rücklage nicht angetastet wird. Grünen-Haushälter Sebastian Schäfer sprach von einem Schuldenvorrat. Die Regierung betreibe zudem Schindluder mit den Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität. Kanzler Friedrich Merz warf er “dröhnendes Schweigen” zur Finanzlage der Kommunen vor.

Die AfD kritisierte eine “gigantische Neuverschuldung”. Fast jeder dritte Euro werde aus Schulden finanziert, sagte ihr Chefhaushälter Michael Espendiller. Zudem warf er der Regierung vor, mit einem neuen Kapitel im Verteidigungshaushalt die Budgetrechte des Parlaments im Spannungs- oder Verteidigungsfall aushöhlen zu wollen. Linken-Haushälter Dietmar Bartsch sprach von der “größten Mogelpackung”, die je ein Bundesfinanzminister dem Parlament vorgelegt habe. Die Koalition betreibe “Aufrüstung ohne Limit” und lasse “gigantischen Reichtum unangetastet”.

KOALITION LÄSST WEITERE STEUERERLEICHTERUNGEN OFFEN

Offen blieb in der Koalition die Frage weiterer Steuerentlastungen. Rudolph zeigte sich offen dafür, über Steueränderungen bei der Vermögensungleichheit Mehreinnahmen zu erzielen, um kleine und mittlere Einkommen zu entlasten. Unions-Haushälter Christian Haase blieb zurückhaltend. Eine umfassende Einkommensteuerreform habe ein “so hohes Milliardenvolumen”, dass Versprechungen unseriös wären. Vorrang habe nun die Aufstellung des Haushalts für 2027.

Mit dem Haushalt für 2026 gelingt nach Haases Worten ein “Investitionshochlauf” mit einem Gesamtvolumen von 118 Milliarden Euro, unter anderem für Schiene, Straße, Bildung und Digitalisierung. Rudolph sagte, man setze Schwerpunkte bei Wachstum, Sicherheit und sozialen Zusammenhalt. Man sei auf einem guten Weg, das Vertrauen der Menschen wieder zu stärken.

Der am Freitagmorgen fertig verhandelte Haushalt für 2026 sieht im Kern Ausgaben von 524,54 Milliarden Euro und eine Neuverschuldung von gut 97,9 Milliarden Euro vor. Hinzu kommen Kredite für die Sonderetats für Infrastruktur und Klimaneutralität sowie für die Bundeswehr. Die gesamte Neuverschuldung belaufe sich auf 182,9 Milliarden Euro, sagte Espendiller. Die Zinslast verdoppele sich bis 2029 von 30,3 Milliarden Euro in diesem Jahr auf dann 66,5 Milliarden Euro.

Für 2026 wurde die Militärhilfe für die Ukraine um drei Milliarden auf rund 11,5 Milliarden Euro erhöht. Zudem werden die Sozialversicherungen mit Darlehen von rund 9,5 Milliarden Euro gestützt. Der mit Abstand größte Etat bleibt der von Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) mit 197,3 Milliarden Euro. Der Verteidigungsetat steigt im Vergleich zu 2025 um rund 20 Milliarden auf etwa 82,7 Milliarden Euro, zu denen noch rund 25 Milliarden aus dem Sondervermögen kommen.

Es sind zudem Entlastungen für Wirtschaft und Verbraucher vorgesehen. Der Bundestag beschloss am Donnerstagabend die Absenkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe auf das europäische Mindestmaß und einen Zuschuss von 6,5 Milliarden Euro zu den Entgelten für die Stromnetze. Weitere Entlastungen kommen Pendlern und der Gastronomie zugute, etwa die Erhöhung der Entfernungspauschale und eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Speisen in Restaurants. Darüber streitet der Bund noch mit den Ländern, die einen Ausgleich für die Steuerausfälle fordern.

Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse wird rein rechnerisch eingehalten. Dies gelingt nur, weil Ausgaben für die Bundeswehr nicht gedeckelt sind und Kredite für die schuldenfinanzierten Sondervermögen nicht eingerechnet werden. Der Bundestag soll den Haushalt Ende November verabschieden.

(Bericht von Holger Hansen, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

tagreuters.com2025binary_LYNXMPELAD065-VIEWIMAGE