Brüssel/Berlin (Reuters) – Nachzügler Deutschland kann laut der EU-Kommission 2026 voraussichtlich beim Wirtschaftswachstum zum Euroraum aufschließen.
Befeuert durch das große Fiskalpaket der Bundesregierung dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2026 demnach mit plus 1,2 Prozent genauso hoch ausfallen wie in der gesamten Euro-Zone. Dies geht aus der am Montag veröffentlichten Herbstprognose der Brüsseler Behörde hervor. EU-Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis verwies darauf, dass Deutschland mit dem milliardenschweren Ausgaben-Paket wieder für “positive Auswirkungen” auf Europas Wachstumsausblick sorge, nachdem es jahrelang als Bremsklotz gewirkt hatte.
Der größten Volkswirtschaft im Euroraum traut die Kommission 2025 immerhin ein kleines Plus beim BIP von 0,2 Prozent zu, nachdem sie im Mai noch eine Stagnation vorausgesagt hatte. Dem Euroraum wird ein Plus von 1,3 Prozent vorhergesagt, nachdem im Frühjahr nur ein Zuwachs von 0,9 Prozent veranschlagt worden war. Das Handelsabkommen der EU mit den USA habe einige der Unsicherheiten abgemildert, die noch die Frühjahrsprognose überschattet hätten, erläuterte die Brüsseler Behörde.
Für 2027 prognostiziert sie der Euro-Zone einen Zuwachs beim BIP von 1,4 Prozent, während Deutschland um 1,2 Prozent zulegen soll. “In den Jahren 2025 und 2026 werden Zölle und die hohe globale Unsicherheit voraussichtlich weiter Investitionen und Exporte belasten”, heißt es in der Prognose zu den deutschen Wachstumsaussichten. Diese Auswirkungen würden jedoch durch höhere öffentliche Ausgaben kompensiert, welche den Konsum und die Gesamtinvestitionen insbesondere 2026 und 2027 stützen dürften.
Die EU-Kommission ist mit ihrer Vorhersage für 2026 optimistischer als die deutschen Wirtschaftsweisen, die nur ein BIP-Plus von 0,9 Prozent veranschlagen. Die Top-Ökonomen um die Münchner Professorin Monika Schnitzer hatten zudem moniert, dass die Bundesregierung das milliardenschwere Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität nicht hinreichend für wachstumsfördernde Investitionen nutze.
DEFIZIT FRANKREICHS IM FOKUS
Mit dem Fiskalpaket wird zugleich das deutsche Haushaltsdefizit laut der EU-Kommission 2026 deutlich steigen – und zwar auf 4,0 Prozent, nach 3,1 Prozent im laufenden Jahr. Damit reißt Deutschland bereits 2025 die Latte von 3,0 Prozent des BIP. Es steht damit allerdings nicht alleine da, wie Dombrovskis erläuterte. Insgesamt elf EU-Länder – darunter Frankreich (EU-Prognose: minus 5,5 Prozent), Belgien (minus 5,3 Prozent), die Slowakei (minus 5,0 Prozent) und Finnland (minus 4,5 Prozent) – liegen über der von Brüssel vorgegebenen Obergrenze: “Die Mitgliedstaaten müssen weiterhin vorsichtig handeln, damit die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen geschützt wird”, mahnte Dombrovskis.
Zur Haushaltslage Frankreichs sagte der Lette, es sei anzuerkennen, dass die Regierung in Paris Maßnahmen ergriffen habe, die zu einem Rückgang des Defizits im nächsten Jahr auf voraussichtlich 4,9 Prozent führen würden. Doch werde der Etat 2026 noch im Parlament beraten. Zugleich gebe es mit Blick auf die finanziellen Auswirkungen der ausgesetzten Rentenreform Fragezeichen: Ohne Ausgleichsmaßnahmen würden sich die Kosten dieses Schritts verstärkt bemerkbar machen. “Es wird also wichtig zu sehen sein, welche Kompensationsmöglichkeiten die Regierung ergreift”, betonte der EU-Kommissar.
Die Brüsseler Behörde erwartet, dass die Schuldenstandquote Frankreichs 2027 auf 120 Prozent des BIP ansteigen wird. Für 2025 wird ein Wert von 116,3 Prozent veranschlagt. Zum Vergleich: In Deutschland soll die Schuldenstandquote von 63,5 Prozent im laufenden Jahr auf 67,0 Prozent im Jahr 2027 klettern. Der öffentliche Schuldenstand eines EU-Mitgliedstaats soll laut den europäischen Vorgaben nicht mehr als 60 Prozent des BIP betragen.
(Bericht von Reinhard Becker, Mitarbeit Jan Strupczewski und Phil Blenkinsop, rRedigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)











