Berlin (Reuters) – Die deutsche und die französische Regierung blasen zur Aufholjagd der Digitalbranche.
Digitalminister Karsten Wildberger bezeichnete am Dienstag auf dem Digitalgipfel in Berlin Künstliche Intelligenz als Chance für Europa, um den Rückstand auf die USA und China aufzuholen. Die französische Digital-Staatssekretärin Anne Le Hénanff forderte, bevorzugt europäischen Firmen Aufträge zu geben.
An der deutsch-französischen Konferenz nehmen nach Angaben von Wildberger Minister und Ministerinnen aus 23 EU-Staaten sowie viele Firmen teil. “Der Zug ist nicht abgefahren”, betonte der CDU-Politiker. Er verwies darauf, dass die Schwarz-Gruppe im brandenburgischen Lübbenau eine Investition von elf Milliarden Euro in Rechenzentren bekanntgegeben hatte. Der erste Bauabschnitt des “Schwarz Digits Datacenter” mit drei Modulen soll bis Ende 2027 fertiggestellt werden.
Das Rechenzentrum ist Teil der Bewerbung um eine der europäischen KI-Gigafactories – also besonders leistungsstarken Rechenzentren, die die EU mit Milliardenbeträgen fördern will. Die Pläne der Schwarz-Digits gehen damit deutlich über die Investition von fünf Milliarden Euro hinaus, die der US-Konzern Google in Deutschland gerade angekündigt hatte.
Wildberger verwies auch darauf, dass der Supercomputer “Jupiter” am Forschungszentrum Jülich als erster in Europa die Marke von einem ExaFLOP/s Rechenleistung erreicht habe – das entspricht einer Trillion oder 1.000.000.000.000.000.000 Rechenoperationen pro Sekunde. Zugleich sei “Jupiter” das energieeffizienteste System unter den weltgrößten Supercomputern.
“BRAUCHEN HUNDERTE MILLIARDEN”
Sowohl Wildberger als auch der französische Wirtschafts- und Finanzminister Roland Lescure pochten auf eine schnelle Vollendung des EU-Kapitalmarktes. Dafür brauche man jedes Jahr Hunderte Milliarden Euro. Geld sei in der EU zwar verfügbar, fließe aber immer noch zu einem großen Teil in den US-Finanzmarkt statt europäische Firmen zu finanzieren, sagte Lescure. Auch Wildberger betonte, wie wichtig es sei, dass Startups sich in Europa finanzieren könnten und nicht auf den US-Markt ausweichen müssten. Lescure bezeichnete die digitale Aufholjagd als wirklich existenziell. Europa habe auch seine demokratischen Werte zu verteidigen.
Umstritten ist das Maß an Regulierung, das nötig ist, um Innovation zu ermöglichen, aber den Wettbewerbsnachteil gegenüber US-Anbietern auszugleichen. Lescure forderte etwa klare Vorschriften, was eigentlich souveräne Angebote in Bereichen wie Daten-Clouds ausmache. Auch Wildberger betonte, dass man gerade im Cloud-Bereich neue Bedingungen formuliert habe, die nicht mehr nur auf den Preis zielten. Dabei sind große US-Tech-Konzerne oft attraktiver.
Gleichzeitig wird kritisiert, dass die EU die Regulierung im KI-Bereich überzogen habe. Le Hénanff sagte, dass die Regierung in Paris bereit sei, die Anwendung des europäischen KI-Acts zur Regulierung der Branche für ein Jahr auszusetzen. Die stellvertretende EU-Kommissionschefin Henna Virkkunen kündigte an, dass die Brüsseler Behörde am Mittwoch neue Vorschläge vorlegen werde.
Wildberger mahnte, dass Europa selbst KI-Syteme entwickeln müsse. Bei der angestrebten digitalen Souveränität gehe es aber nicht darum, Türen zu schließen. Man werde weiterhin mit führenden Technologieunternehmen zusammenarbeiten, sagte er mit Blick auf die US-Branchengrößen.
Am Nachmittag wollen auch Kanzler Friedrich Merz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf dem Digitalgipfel auftreten.
(Reporter: Andreas Rinke und Hakan Ersen, redigiert von Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)










