– von Toby Sterling und Rachel More
Amsterdam/Berlin/Peking (Reuters) – Der Streit um den für die Autoindustrie wichtigen Chiphersteller Nexperia zwischen China und den Niederlanden geht trotz einer Annäherung weiter.
Die niederländische Regierung ging auf den chinesischen Eigner von Nexperia, Wingtech, zu und gibt die Ende September an sich gerissene Kontrolle über das im niederländischen Nijmegen ansässige Unternehmen wieder ab. Die Anordnung bezüglich Nexperia werde in enger Absprache mit den europäischen und internationalen Partnern ausgesetzt, erklärte Wirtschaftsminister Vincent Karremans am Mittwoch in Den Haag. Das chinesische Handelsministerium nannte das einen Schritt in die richtige Richtung, besteht aber auf weitere Zugeständnisse.
Wingtech forderte erneut, das in den Niederlanden angestrengte Verfahren gegen seinen Gründer Zhang Xuezheng mit dem Vorwurf des Missmanagements einzustellen. Karremans hatte ihn als Nexperia-Chef abgesetzt, weil er den Transfer von Produktion und Know-how nach China betrieben habe. Nexperia Europa hatte das Verfahren angestoßen. Minister Karremans begrüße die Maßnahmen Chinas, die Versorgung mit Halbleitern global sicherzustellen. “Wir sehen dies als ein Zeichen des guten Willens.” Der konstruktive Dialog mit den chinesischen Behörden werde fortgesetzt.
STÖRUNGEN BEI WEITEM NICHT BEHOBEN
Auch aus Sicht der Bundesregierung und der deutschen Autoindustrie ist die Versorgungskrise weiter nicht gelöst. “Es geht in die richtige Richtung”, sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums. Doch die Gespräche zwischen den Niederlanden und China seien noch nicht abgeschlossen. Auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) erklärte, es bleibe abzuwarten, ob sich die Lage entspanne. “Die durch politische Eingriffe verursachten Störungen für Nexperia-Teile in der Lieferkette sind bei Weitem noch nicht behoben”, ergänzte VDA-Geschäftsführer Marcus Bollig.
Die deutschen Autobauer reagierten zurückhaltend auf die jüngste Wendung in der vor anderthalb Monaten ausgebrochenen Chipkrise. “Die positiven Signale aus dem Umfeld der Politik zum Thema begrüßen wir explizit”, erklärte BMW. Der Münchner Autobauer beobachte die Entwicklung, könne sie derzeit aber nicht weiter kommentieren. Auch Volkswagen und Mercedes-Benz wollten sich nicht zur weiterhin “volatilen Lage” äußern. Bei den deutschen Autobauern laufen die Bänder nach wie vor, auch wenn es bei den in erster Linie betroffenen Zulieferern wie dem Marktführer Bosch zeitweise zu Unterbrechungen kam.
Die Niederlande hatten am 30. September den chinesischen Nexperia-Chef abgesetzt und die Firma in Obhut genommen. Begründet wurde das später damit, dass der chinesische Eigner Wingtech dabei war, Technologie und Produktionsanlagen nach China zu transferieren. Das hätte unter anderem das Nexperia-Werk in Hamburg betroffen. Die Regierung in Peking stoppte daraufhin Exporte von Produkten mit Nexperia-Chips aus China. Das verursachte Chaos in der Autoindustrie, weil Nexperia mit seinen Basischips einen großen Marktanteil hat.
Unklar ist, ob die Blockade zwischen Nexperia Europa und Nexperia China gelöst werden kann. Nach der staatlichen Intervention der Niederlande hatte sich der chinesische Arm von Nexperia von der Kontrolle durch das europäische Management losgesagt. Daraufhin stellte die europäische Seite am 26. Oktober die Lieferung von Wafern dorthin ein und begründete dies mit ausbleibenden Zahlungen. Für eine vorübergehende Entlastung der Kunden sorgt derzeit, dass die chinesische Seite nun Lagerbestände an bereits verarbeiteten Chips verkauft.
EXPORTE WIEDER ANGELAUFEN
Die einst von Philips abgespaltene Firma aus den Niederlanden ist mit weltweit rund 12.500 Beschäftigten der führende Anbieter einfacher Halbleiter wie Dioden oder Transistoren. In Hamburg ist das größte Werk, in Deutschland hat Nexperia 1600 Mitarbeitende. Die in Europa gefertigten Chips werden nach China zur Verpackung und Weiterverarbeitung geliefert. Das Exportverbot des chinesischen Handelsministeriums betraf laut Wingtech 80 Prozent der Endprodukte. Die Restriktion wurde Anfang November gelockert, doch die Lieferungen stockten weiter. Die Abnehmer in der Autoindustrie suchten fieberhaft nach alternativen Lieferanten. Der VDA führte nach Rücksprache mit dem Bundeskartellamt eine Tauschbörse ein, damit sich die Unternehmen gegenseitig aushelfen können.
(Weitere Reporter: Eduardo Baptista, Ilona Wissenbach, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)











