Experten erwarten weniger Investitionen wegen Unsicherheit in Handelspolitk

Berlin (Reuters) – Wirtschaftsexperten in Europa erwarten weniger Investitionen und Wachstumsverluste aufgrund der anhaltenden Unsicherheit in der Handelspolitik.

Für die nächsten fünf Jahre rechnen sie mit einem Rückgang der Investitionen von 4,7 Prozent in der EU, wie aus der am Donnerstag veröffentlichten Umfrage des Münchner Ifo-Instituts und des Forschungsnetzwerks EconPol Europe hervorgeht. Zugleich schrumpfe die jährliche Wirtschaftswachstumsrate um 0,6 Prozentpunkte.

“Um nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu sichern, sollten dem internationalen Freihandel keine Fesseln auferlegt werden”, sagte Ifo-Forscher Niklas Potrafke zu den Ergebnissen der Umfrage unter mehr als 600 Expertinnen und Experten. “Zölle und Protektionismus sind Gift für die Volkswirtschaft – sowohl für Europa als auch für alle anderen Länder weltweit.”

Für Deutschland erwarten die Expertinnen und Experten einen überdurchschnittlichen Rückgang der Investitionen von 6,1 Prozent. Die höchsten Rückgänge werden für Polen, Irland und Finnland vorausgesagt (jeweils ca. 6,7 bis 6,8 Prozent). In Frankreich liegt das erwartete Minus bei den Investitionen unter dem EU-Durchschnitt (4,0 Prozent).

Die Wachstumsverluste schätzen die Experten überdurchschnittlich negativ ein für Irland, Slowenien und Lettland (um etwa 1,0 bis 1,5 Prozentpunkte). Für Kroatien, Estland und Frankreich werden hingegen nur geringe Belastungen erwartet. “Insgesamt schätzen die befragten Wirtschaftsexperten die Unsicherheit in den internationalen Handelsbeziehungen als sehr hoch ein”, sagte Ifo-Forscher Christian Gréus. Dies gelte trotz des Zoll-Deals zwischen der EU und den USA vom 27. Juli. Dabei hatte US-Präsident Donald Trump durchgesetzt, dass für die überwiegende Mehrheit der EU-Exporte in die Vereinigten Staaten ein einheitlicher Zollsatz von 15  Prozent gilt – ein Mehrfaches des früheren Wertes. Trump will dadurch das chronische Defizit in der Handelsbilanz drücken und die heimische Industrie stärken.

Sollte die EU zusätzlich noch höhere Importzölle einführen, rechnen die Befragten mit zusätzlichen Konsequenzen für die europäische Wirtschaft. Ausgehend von einem Importzoll der EU von zehn Prozent rechnen die Befragten mit einem Anstieg der Inflation (0,9 Prozentpunkte) und einer höheren Arbeitslosigkeit (0,2 Prozentpunkte). Zudem gehen sie von einem noch stärkeren Rückgang des Wirtschaftswachstums um weitere 0,5 Prozentpunkte und der Investitionen um 0,9 Prozent aus.

(Bericht von Rene Wagner; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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