Ringen um Frieden in der Ukraine – Europäer trotzen USA

– von Max Hunder und Andreas Rinke und Olivia Le Poidevin

Kiew/Washington/Luanda (Reuters) – Ringen um Frieden für die Ukraine: Die Unterhändler der USA und der Regierung in Kiew erklärten nach ihrem Treffen in Genf, sie hätten einen “verfeinerten Friedensrahmen” entworfen.

Einzelheiten wurden jedoch nicht genannt. Zugleich kamen in Angola am Montag die EU-Staats- und Regierungschefs zu einem Sondertreffen zusammen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Bundeskanzler Friedrich Merz dämpfte im Anschluss die von US-Präsident Donald Trump geschürten Hoffnungen auf einen raschen Durchbruch. “Das ist ein mühsamer Prozess, der wird in dieser Woche allenfalls kleinere Schritte vorangehen”, sagte Merz in der angolanischen Hauptstadt Luanda.

Die Ukraine und ihre europäischen Verbündeten hatten einen ursprünglichen US-Vorschlag für einen Frieden als Wunschliste des Kreml zurückgewiesen. Vorgesehen war darin unter anderem, dass die Ukraine Gebiete an Russland abtreten soll, eine deutliche Begrenzung ihrer Armee hinnimmt und auf eine Nato-Mitgliedschaft verzichtet. Dass die USA im Anschluss bereit waren, mit ukrainischen Unterhändlern über den Plan zu sprechen und die Vorlage zu ändern, wurde weithin begrüßt. Bundesaußenminister Johann Wadephul sieht darin einen Erfolg der Europäer, wie er am Montag im Deutschlandfunk sagte.

Merz, der sich am Rande des Gipfels der EU mit der Afrikanischen Union äußerte, sprach von einem Schicksalsmoment für Europa. Die Initiative der US-Regierung habe den Bemühungen eine neue Dynamik verliehen. Die USA hätten akzeptiert, über einen von den Europäern stark veränderten Friedensplan zu reden. “Dieses Papier ist jetzt in wesentlichen Teilen modifiziert worden”, betonte der Kanzler. Es handle sich nun um eine gemeinsame Position der Amerikaner, der Europäer und der Ukraine. “Die entscheidende Bewegung muss jetzt von Russland aus kommen”, sagte Merz und forderte mehr Druck auf Moskau. Der Kreml teilte mit, ihm sei offiziell nichts übermittelt worden.

“KOALITION DER WILLIGEN” BERÄT AM DIENSTAG

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte per Videoschalte auf einem Gipfeltreffen von Verbündeten in Schweden: “Wir alle arbeiten weiterhin mit unseren Partnern, insbesondere den USA, zusammen, um Kompromisse zu suchen, die uns stärken, aber nicht schwächen.” Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk mahnte, eine Einigung dürfe die Ukraine oder Europa nicht schwächen. Am Dienstag wollen die Staats- und Regierungschefs der “Koalition der Willigen” in einer Videokonferenz beraten. Dem informellen Zusammenschluss gehören etwa 30 Staaten an, darunter auch Deutschland.

Die USA hatten Kiew und die europäischen Länder vergangene Woche mit dem 28-Punkte-Friedensplan überrascht. Die Europäer betonten nun ihre Entschlossenheit, einseitige territoriale Konzessionen der Ukraine zugunsten Russlands zu verhindern. “Die Ukraine muss sich auch in Zukunft wirksam gegen Aggressionen zur Wehr setzen können und dazu braucht sie starke Streitkräfte und belastbare Sicherheitsgarantien der Partner”, fügte Merz hinzu. Demnach akzeptierten die US-Unterhändler in Genf eine Truppenstärke von 800.000 statt der ursprünglich vorgeschlagenen 600.000 Mann.

Wadephul sagte, die Ukraine müsse Sicherheitsgarantien erhalten, vergleichbar mit dem Budapester Memorandum aus dem Jahr 1994. Damals gab die Ukraine ihre Atomwaffen ab und erhielt im Gegenzug auch von Russland die Garantie auf territoriale Integrität. Er verwies zudem auf die Beistandsgarantie in Artikel 5 des Nato-Vertrages. “Das wäre natürlich unsere Vorstellung, dass es in dieser Art sein sollte”, sagte der Minister. Das Land sei grundlos von Russland überfallen worden, da liege es auf der Hand, “dass jetzt die Qualität der Garantien schon eine besondere sein muss”.

SELENSKYJ DIESE WOCHE IN WASHINGTON?

Der Vorstoß erhöht den Druck auf Selenskyj, der nach einem Korruptionsskandal und russischen Erfolgen auf dem Schlachtfeld im Osten der Ukraine politisch als angeschlagen gilt. “Trumps Sonderplan ist im Grunde eine Kapitulation für die Ukraine”, sagte die 62-jährige Beamtin Anschelika Jurkewytsch in Kiew. Trump selbst schrieb auf der Plattform Truth Social: “Man solle es nicht glauben, bevor man es sehe, aber es könne sein, dass gerade etwas Gutes passiere.” Insidern zufolge könnte Selenskyj noch diese Woche in die USA reisen, um mit Trump über die heikelsten Aspekte des Plans zu sprechen.

Unterdessen geht der russische Angriffskrieg unvermindert weiter. Bei einem nach offiziellen Angaben massiven russischen Drohnenangriff auf die zweitgrößte ukrainische Stadt Charkiw wurden am Sonntag vier Menschen getötet. Auf der anderen Seite der Grenze wehrte die russische Luftabwehr ukrainische Drohnen im Anflug auf Moskau ab. Drei Flughäfen der Hauptstadt mussten vorübergehend ihren Betrieb einschränken.

(Bearbeitet von Alexander Ratz; Redigiert von Sabine Ehrhardt; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters)

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