Studie: Viele Autozulieferer suchen Zukunft in der Rüstungsbranche

Frankfurt (Reuters) – Viele deutsche Autozulieferer stellen sich unter dem Druck von Krise und Strukturwandel auf Kunden in anderen Branchen wie der Rüstungsindustrie um.

Von 47 befragten Unternehmen gaben vier Fünftel an, nach alternativen Geschäftsfeldern zu suchen, erklärte die Unternehmensberatung FTI-Andersch zu einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach am Montag. “Viele Autozulieferer wenden sich neuen Industrien zu, weil sie in der eigenen Branche keine ausreichende Perspektive mehr sehen”, sagte Ralf Winzer, Vorstand bei FTI-Andersch. Ein Viertel von ihnen baue Geschäft im Rüstungsbereich auf, gefolgt von der Energiebranche, der Luftfahrt und der Medizintechnik.

Ein wesentlicher Grund für die Neuorientierung ist der Studie zufolge der Rückgang des Verbrennermarktes mit der Umstellung auf Elektromobilität neben einer erschwerten Finanzierung. So sind fast zwei Drittel der befragten Unternehmen direkt vom Schrumpfen des traditionellen Auto-Geschäfts betroffen. Zudem berichten 28 Prozent von einem zunehmend erschwerten Kreditzugang. Gleichzeitig holen viele Autobauer die Fertigung von Komponenten wieder in die eigene Produktion zurück, was den Druck auf die Zulieferbetriebe weiter erhöht.

Eine Zusammenarbeit mit aufstrebenden chinesischen Autobauern (OEM), die in Europa produzieren wollen, ist für die Mehrheit der deutschen Zulieferer keine Alternative. Demnach nehmen 57 Prozent den Wettbewerb um die chinesischen Autobauer gar nicht erst auf. Vier von fünf befragten Firmen erachten eine Zusammenarbeit als schwierig. Die Unternehmensberatung hält das für einen strategischen Fehler. “Chinesische OEMs werden den Weltmarkt, insbesondere im Bereich der Elektromobilität, entscheidend mitprägen”, sagte Winzer. “Wer heute nicht versucht, Anschluss an diesen Markt zu finden, wird in wenigen Jahren vollständig abgehängt sein.”

ZULIEFERER VOR HARTEN PREISVERHANDLUNGEN

Nach Auswertung von Daten der 25 größten börsennotierten Zulieferer weltweit durch die Unternehmensberatung Berylls/Alixpartners schneiden die Firmen bei der Profitabilität in diesem Jahr trotz großen Drucks in der Branche nicht schlecht ab. Die operative Marge steige leicht auf 5,8 Prozent, während die der Autohersteller fast um zwei Prozentpunkte auf 4,5 Prozent sinkt. “Dass die Marge der Zulieferer über der der OEMs liegt, haben wir seit der Vor-Corona-Zeit nicht mehr gesehen”, erklärte Branchenexperte Alexander Timmer.

Anders als die Autobauer hätten die Zulieferer aber kein Liquiditätspolster und sind oft hoch verschuldet. Die Zulieferer hätten kein leichtes Jahr vor sich, weil ihre Kunden angesichts schwindender Gewinne stärkere Zugeständnisse bei den Preisen fordern werden. Zugleich müssten die Unternehmen stärker auf eine stabile Versorgung mit Rohstoffen und Vorprodukten achten, um zuverlässig zu sein, statt weiter Kosten zu senken. Die jüngsten Exportbeschränkungen Chinas bei Rohstoffen oder Halbleitern von Nexperia zeigten, dass sich Lieferketten weg vom “sklavischen Just-in-Time” oder “Just-in-Case” entwickelten hin zu Regionalität und einer größeren Zahl von Bezugsquellen.

(Bericht von Ilona Wissenbach, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)

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