London/Frankfurt (Reuters) – Die Europäische Zentralbank (EZB) prüft einem Zeitungsbericht zufolge Vorwürfe eines ehemaligen Mitarbeiters der Deutschen Bank zu ihren Bilanzierungspraktiken.
Es gehe um Anschuldigungen, wonach das Frankfurter Geldhaus Risiken in seiner Bilanz zu niedrig angesetzt und ein irreführendes Bild seiner Finanzstärke gezeichnet habe, berichtete die “Financial Times” (FT) am Dienstag unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen. Die Notenbank fungiert auch als Aufsichtsbehörde für die Großbanken der Euro-Zone. Die EZB wollte sich zu dem Bericht nicht äußern, die Deutsche Bank wies die Vorwürfe zurück.
Der ehemalige Investmentbanker Dario Schiraldi, der mit der Bank in einem jahrelangen Rechtsstreit liegt, wirft ihr laut dem Bericht in einem Schreiben an die EZB vor, ihre Bilanz “wesentlich durch aggressive Verrechnungs- und außerbilanzielle Buchungstechniken beeinflusst” zu haben. Beim sogenannten Netting werden finanzielle Verpflichtungen, die sich gegenseitig aufheben, gebündelt und gegeneinander aufgerechnet. Damit sinkt das Kreditrisiko, und die Kapitalanforderungen werden geringer. Mit dieser Verrechnung zeichne die Bank ein “irreführendes Bild ihrer finanziellen Solidität gegenüber den Regulierern wie auch den Märkten”, heißt es in dem Brief, dessen Existenz von Insidern bestätigt wurde.
Die Deutsche Bank erklärte, sie wende Netting “gemäß den einschlägigen Rechnungslegungsstandards und im Einklang mit der gängigen Branchenpraxis” an. Laut “FT” hat die EZB noch nicht entschieden, ob sie auf Basis der Vorwürfe eine Untersuchung einleiten oder andere Maßnahmen ergreifen werde.
Die Prüfung der Netting-Praktiken ist auch Teil ihrer regulären Aufsichtsarbeit, auf deren Grundlage unter anderem Kapitalvorgaben für einzelne Institute berechnet werden. Im Rahmen dessen hatte die EZB auch die Praxis bei der Deutschen Bank unter die Lupe genommen und Erkundigungen eingeholt. Ende September kam die Bank auf eine harte Kernkapitalquote (CET 1) von 14,5 Prozent, die deutlich über den eigenen Zielen und den Vorgaben der EZB liegt.
Schiraldi hat seinen früheren Arbeitgeber auf 152 Millionen Euro verklagt. Er und fünf Kollegen waren in einem Prozess in Mailand wegen Marktmanipulation im Zusammenhang mit dem Skandal um die Bank Monte dei Paschi zu Gefängnisstrafen von bis zu vier Jahren und acht Monaten verurteilt worden. Eine Untersuchung der Deutschen Bank – unter der Leitung des heutigen Vorstandschefs Christian Sewing – habe zu dem Urteil beigetragen, das in der Berufung aufgehoben wurde, reklamiert Schiraldi. Die Deutsche Bank hält die Ansprüche ihrer Ex-Mitarbeiter für “vollständig unbegründet” und wolle sich dagegen verteidigen, bekräftigte ein Sprecher.
(Bericht von Shivani Tanna und Balazs Koranyi; geschrieben von Alexander Hübner, redigiert von Ralf Banser; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)











