Coba-Aufsichtsratschef äußert sich kritisch zum Vorgehen von Unicredit

Frankfurt (Reuters) – Der Aufsichtsratschef der Commerzbank sieht nach dem überraschenden Einstieg der Unicredit nur geringe Chancen auf einen einvernehmlichen Zusammenschluss mit der italienischen Großbank.

“Das ist wie bei jeder Beziehung: Wenn der Start misslungen ist, wird es schwierig”, sagte Jens Weidmann dem “Handelsblatt” (Montagausgabe). “Es bräuchte einiges an Arbeit, um genügend Vertrauen herzustellen und ergebnisoffene Gespräche zu ermöglichen.” Weidmann bezweifelt, dass eine feindliche Übernahme im Bankensektor nachhaltig Werte schaffen kann. “Bei Zusammenschlüssen ist es wichtig, dass das Management zunächst vertrauensvoll miteinander redet und ein gemeinsames Verständnis entwickelt. Unicredit hat sich dagegen entschieden und uns mit seinem Einstieg überrascht. Das ist kein guter Stil.”

Die Mailänder Unicredit kontrolliert mittlerweile etwa 28 Prozent der Anteilsscheine an der Commerzbank. Rund 9,5 Prozent der Aktien halten die Italiener direkt, zudem hat sich Unicredit Zugriff auf 18,5 Prozent durch Finanzinstrumente gesichert.

Für die finanzielle Souveränität Deutschlands wäre es nach Ansicht von Weidmann vorteilhaft, mit der Deutschen Bank und der Commerzbank zwei große unabhängige Privatbanken zu haben. Welche Entwicklungen Banken nach dem Verlust ihrer Unabhängigkeit nehmen könnten, zeige der Blick auf die Hypo-Vereinsbank und die Bank Austria, die 2005 von Unicredit übernommen wurden. “Der Fußabdruck der Commerzbank in Deutschland würde vermutlich kleiner, die Attraktivität des Finanzplatzes Frankfurt würde leiden. Viele Kunden, vor allem aus dem Mittelstand, wären gezwungen, sich neu zu orientieren”, sagte Weidmann.

Zudem kündigte der oberste Kontrolleur der Commerzbank an, in diesem Jahr die Hauptversammlung wieder in Präsenz abhalten zu wollen und nicht virtuell wie in den vergangenen Jahren. “Das hat allerdings nichts mit Unicredit zu tun, sondern mit unserem neuen Vergütungssystem. Das ist ein Kernelement der Unternehmenssteuerung, über das wir mit unseren Aktionären gern persönlich diskutieren wollen,” sagte Weidmann, der von 2011 bis 2021 Präsident der Bundesbank war.

WEIDMANN – INFLATIONSDRUCK WIRD NICHT VERSCHWINDEN

Der ehemalige Bundesbank-Präsident rechnet damit, dass der Inflationsdruck zumindest mittelfristig hoch bleiben wird. “Die Demografie und der Fachkräftemangel führen zu höherem Lohndruck.” Der Trend zur Deglobalisierung treibe ebenfalls tendenziell die Teuerung, genauso wie die Dekarbonisierung durch steigende CO2-Preise. Aus seiner Sicht werden die Realzinsen – das sind die Zinsen am Markt abzüglich der Inflation – voraussichtlich tendenziell höher liegen als es in der Vergangenheit der Fall gewesen war.

Für die aktuellen Wachstumsprobleme kann die Geldpolitik aus Sicht von Weidmann keine Lösung bieten. “Das kann nur die Wirtschaftspolitik. Ich finde es gefährlich, dass in der Debatte die Grenzen zwischen Regierungsverantwortung und Verantwortung der Notenbank immer stärker verschwimmen.” In seiner Zeit an der Spitze der Bundesbank hatte Weidmann häufig davor gewarnt, die Grenzen zwischen Geldpolitik und der Wirtschafts- und Finanzpolitik, für die die Regierungen zuständig sind, immer mehr aufzuweichen.

(Bericht von Ralf Banser, Frank Siebelt, redigiert von Sabine Wollrab.; Bei Rückfragen wenden Sie sich an die Redaktionsleitung unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

tagreuters.com2025binary_LYNXMPEL0C05M-VIEWIMAGE