Berlin (Reuters) – Vize-Kanzler und Wirtschaftminister Robert Habeck hat jegliche Vorfestlegungen zur AKW-Laufzeitverlängerung in der Energiekrise 2022 bestritten.
“Die einzige Frage, worum es ging, hieß: Hilft es, und ist es umsetzbar”, sagte der Grünen-Politiker am Donnerstag im Bundestags-Untersuchungsausschuss. Im Zentrum habe für ihn die Versorgungssicherheit gestanden. Der Ausschuss-Vorsitzende Stefan Heck nannte dies schon vor der Sitzung unglaubwürdig: “Wir müssen heute feststellen, dass es diese ergebnisoffene Prüfung nicht gegeben hat”, sagte der CDU-Politiker. “Im Gegenteil: Es war ein großangelegtes Täuschungsmanöver.” Gegen fachlichen Rat seien längere Laufzeiten abgelehnt worden. Kanzler Olaf Scholz sagte, mit Grünen und FDP sei damals keine Einigung zur weiteren AKW-Nutzung möglich gewesen. Er habe daher eine begrenzte Laufzeitverlängerung durchgesetzt.
Der Untersuchungsausschuss sollte klären, ob die Bundesregierung wie zugesagt eine Laufzeitverlängerung der letzten drei AKWs ergebnisoffen geprüft hat. Hintergrund ist, dass sie nach damaliger Gesetzeslage Ende 2022 abgeschaltet werden mussten. Der russische Überfall auf die Ukraine und die ausbleibenden Gas-Lieferungen hatten die Laufzeit-Debatte noch einmal angeheizt. Die Energiepreise stiegen rasant. Während der Ampel-Partner FDP längere Laufzeiten bis mindestens 2024 forderte, hatte Habeck am Ende lediglich eine Einsatzreserve ins Auge gefasst. Scholz setzte letztlich mit seiner Richtlinienkopetenz den Betrieb bis Mitte April 2023 durch.
WAR MACHTWORT VON SCHOLZ ABGESPROCHEN?
Unions- und auch FDP-Abgeordnete im Ausschuss vermuteten, dass die Entscheidung von Scholz im Vorfeld zumindest mit Habeck abgesprochen sei. So habe er seine Position besonders rund um einen Parteitag der atomkritischen Grünen halten können und danach auf die Entscheidung Scholz verweisen können, dem er Folge leisten müsse. Jakob Blankenburg von der SPD sagte, Habeck habe wohl die Scholz-Entscheidung geholfen: “Es wirkt, als habe er dafür das Kanzler-Machtwort gebraucht.” Habeck und FDP-Chef Christian Lindner sagten im Ausschuss, sie hätten mit diesem Machtwort gerechnet.
Die FDP um Lindner hatte sich für längere Laufzeiten bis ins Jahr 2024 ausgesprochen. Habeck wiederum stand auch unter Druck von der Grünen-Parteibasis, die Laufzeitverlängerungen mehrheitlich ablehnte. Zudem stand in Niedersachsen eine Landtagswahl an, die für alle Parteien wichtig war.
Habeck verwies darauf, dass seine Position sich auch auf Angaben der AKW-Betreiber und der Stromnetzbetreiber gestützt habe. Gas-Einsparungen seien nur im Promille-Bereich mit längeren AKW-Laufzeiten möglich gewesen. Anfangs hätten die Betreiber auch längere Laufzeiten für praktisch nicht umsetzbar bezeichnet. Die Energiekrise habe sich im Laufe des Jahres 2022 jedoch weiter verschärft, so dass auch Strom knapp zu werden drohte. Daher habe er sich dann auch für eine Einsatzreserve ausgesprochen.
Habeck und Scholz waren die letzten Zeugen im Ausschuss, dessen Arbeit durch die vorzeitigen Neuwahlen im Februar verkürzt wurde. Mit einem einheitlichen Abschlussbericht wird nicht gerechnet. Die Fraktionen werden ihrer jeweiligen Positionen gesondert aufführen.
(Bericht von: Markus Wacket; redigiert von Birgit Mittwollen. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)