Frankfurt (Reuters) – Die Europäische Zentralbank (EZB) signalisiert laut den Protokollen ihrer jüngsten Zinssitzung weitere maßvolle Zinssenkungsschritte.
Angesichts bestehender Unsicherheiten sei ein vorsichtiges Vorgehen nach wie vor gerechtfertigt, hieß es in den Protokollen zum Zinstreffen am 11. und 12. Dezember, die die Notenbank am Donnerstag in Frankfurt veröffentlichte. “Nichtsdestotrotz, sollte sich die Basisprognose für die Inflation in den nächsten Monaten und Quartalen bestätigen, wurde ein schrittweises Zurückfahren der restriktiven Geldpolitik als angemessen erachtet”, hieß es darin. Geldpolitik gilt dann als restriktiv, wenn sie eine Volkswirtschaft bremst. Die EZB solle sich aber die Option bewahren, auf diesem Weg Anpassungen vorzunehmen.
Die Erfahrung, langsam zu sein bei einer steigenden Inflation, werde die EZB zwar davon abhalten, ultraniedrige Zinsen zu beschließen, meint Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der Bank ING. Doch der Wunsch, einen Schritt voraus zu sein, bleibe ein zwingender Grund, die Zinsen so rasch wie möglich wieder auf ein neutrales Niveau zu bringen. Als neutraler Zins gilt ein Satz, der eine Volkswirtschaft weder anheizt noch dämpft. “Eine weitere Zinssenkung um 25 Basispunkte auf der kommenden Zinssitzung ist wahrscheinlich,” merkte Brzeski an. Wo genau der neutrale Zins liegt, gilt allerdings als schwer messbar. Die Bandbreiten der Volkswirte sind groß. Manche siedeln ihn zwischen 2,00 und 2,5 Prozent an. Doch es gibt auch höhere Schätzungen.
Die Währungshüter hatten auf ihrer Dezember-Sitzung den am Finanzmarkt maßgeblichen Einlagensatz um einen viertel Prozentpunkt auf 3,00 Prozent gesenkt – es war der vierte Schritt nach unten seit Juni. Für den anstehenden Zinsentscheid am 30. Januar wird am Finanzmarkt mit großer Mehrheit eine weitere Senkung um 0,25 Prozentpunkte erwartet.
“Hinsichtlich der Inflationsaussichten zeigten sich die Mitglieder zunehmend zuversichtlich, dass die Inflation im ersten Halbjahr 2025 wieder zum Zielwert zurückkehren wird”, hieß es in den Protokollen. Das sei früher als bislang in den Wirtschaftsprognosen erwartet worden sei. Die EZB solle aber auf der letzten Wegstrecke des Inflationsrückgangs ihre Wachsamkeit nicht verlieren. Die EZB strebt 2,0 Prozent Inflation als Idealwert für die Wirtschaft an. Im Dezember lag die Teuerung in der 20-Länder-Gemeinschaft bei 2,4 Prozent.
Zuletzt hatten mehrere Währungshüter auf die schwache Konjunktur im Euroraum hingewiesen. Auf dem Dezember-Zinstreffen hatten einige Währungshüter Insidern zufolge wegen der Konjunkturflaute zunächst einen größeren Zinsschritt um 0,50 Prozentpunkte gewünscht. Sie hatten unter anderem befürchtet, dass neue US-Zölle das ohnehin schwache Wirtschaftswachstum weiter dämpfen könnten. Andere wiederum wiesen laut Protokoll darauf hin, dass ein erheblicher Teil der Wirtschaftsschwäche im Euroraum auf strukturelle Faktoren zurückzuführen sei, die die EZB nicht mit ihrer Geldpolitik adressieren könne. Dies sei Aufgabe der Regierungen.
(Bericht von Frank Siebelt,; Redigiert von Kerstin Dörr.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)