Rechtsgutachten: Ukraine rechtfertigt Aussetzen von Schuldenbremse nicht

Berlin (Reuters) – Ein wissenschaftliches Gutachten im Auftrag der FDP-Bundestagsfraktion hat ergeben, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und dessen Folgen keine ausreichende Begründung zur Aussetzung der Schuldengrenze liefert.

“Der Ukrainekrieg als solcher begründet für Deutschland keine außergewöhnliche Notsituation im Sinne von Artikel 115, Absatz 2, Satz 6 Grundgesetz”, heißt es in dem Gutachten des Rechtswissenschaftlers Christoph Gröpl von der Universität des Saarlands in St. Ingbert, das der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag vorlag. Auch die “FAZ” berichtete am Freitag über das Gutachten.

An der Frage über eine Aussetzung der Schuldenbremse war letztlich die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP zerbrochen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte in einem Koalitionsausschuss am 06. November Finanzminister Christian Lindner (FDP) wegen eines Streits über den Haushalt entlassen. Nach Darstellung Lindners wollte Scholz wegen der Zahlung von 15 Milliarden Euro an die Ukraine die Schuldenbremse aussetzen, was der FDP-Chef ablehnte. Aktuell gibt es in diesem Zusammenhang Streit zwischen den verbliebenen Regierungsparteien SPD und Grüne über ein weiteres Hilfspaket für die Ukraine im Volumen von drei Milliarden Euro.

“Auch die Auswirkungen des Ukrainekriegs stellen für Deutschland zu Beginn des Jahres 2025 keine außergewöhnliche Notsituation dar”, heißt es in dem Rechtsgutachten. “Damit kann die Frage dahingestellt bleiben, ob sich die Auswirkungen des Ukrainekriegs der Kontrolle Deutschlands entziehen. Jedenfalls belasten die Auswirkungen des Ukrainekriegs auf Deutschland die Finanzlage des Bundes nicht erheblich.” Der Gesetzgeber wäre damit “von Verfassungs wegen nicht befugt gewesen”, den von Scholz im November geforderten Überschreitungsbeschluss zu bewilligen.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr sieht die Haltung seiner Partei damit bestätigt. “Es war richtig, dass Christian Lindner sich damals nicht auf die Aussetzung der Schuldenbremse eingelassen hat”, erklärte Dürr und betonte: “Das gilt auch heute: Die drei Milliarden für die Ukraine können wir aus dem Kernhaushalt finanzieren, dafür gibt es sogar eine Mehrheit im Bundestag.” Nur die SPD stelle sich quer. “Olaf Scholz sollte aufhören, die Ukraine als Mittel zum Zweck für seinen sogenannten Friedenswahlkampf zu nutzen. Das macht man nicht.”

Die Schuldenbremse ist im Grundgesetz in Artikel 115 festgeschrieben. Die Obergrenze für die jährliche Kreditaufnahme liegt danach bei 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In Absatz zwei heißt es weiter: “Im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, können diese Kreditobergrenzen auf Grund eines Beschlusses der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages überschritten werden.” Darauf hatte sich Scholz berufen.

(Bericht von Alexander Ratz; Redigiert von Kerstin Dörr; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

tagreuters.com2025binary_LYNXMPEL0G0E6-VIEWIMAGE