Berlin (Reuters) – Die Inflation im Euroraum zieht überraschend wieder an.
Waren und Dienstleistungen verteuerten sich im Januar um 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das EU-Statistikamt Eurostat am Montag auf Basis einer ersten Schätzzahl mitteilte. Für Preisauftrieb sorgte vor allem Energie: Sie verteuerte sich um 1,8 Prozent. Im Dezember hatte der Zuwachs lediglich bei 0,1 Prozent gelegen. Dienstleistungen blieben ein Inflationstreiber: Mit 3,9 Prozent war der Anstieg aber nicht mehr ganz so stark wie im Vormonat mit damals 4,0 Prozent.
Im Dezember lag die Teuerungsrate im Euroraum nur bei 2,4 Prozent. Von Reuters befragte Experten hatten für Januar mit einer Stabilisierung auf diesem Niveau gerechnet. Der aktuelle Wert von 2,5 Prozent ist nunmehr weiter vom Zielwert der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent entfernt. Seit September, mit einer Teuerung von damals 1,7 Prozent, ist die Inflationsrate in kleinen Schritten stetig geklettert.
Stephanie Schoenwald, Konjunkturexpertin bei der staatlichen Förderbank KfW, sieht sie zu Jahresbeginn nur moderat erhöht: “Der Zielwert von zwei Prozent ist in diesem Jahr aber noch immer in Reichweite.” Auch der EZB-Rat um Präsidentin Christine Lagarde bekräftigte jüngst seine Einschätzung, dass die Teuerungsrate 2025 zum Zielwert zurückkehren werde. “Die Energiepreise steigern die Inflationsrate etwas. Mundabputzen und abhaken, spricht für die nächsten Monate doch vieles für einen Inflationsrückgang”, meint Chefökonom Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank.
ZOLLKRIEG KÖNNTE INFLATION ANTREIBEN
Die EZB dürfte die Phase mit “Quasi-Preisstabilität” aus Sicht des Experten für weitere Zinssenkungen nutzen. Dabei würden Wachstumsrisiken vorerst höher gewichtet als das noch muntere Lohnwachstum: Höhere US-Zölle bedeuteten für das zweite Halbjahr 2025 steigende Inflationsraten, meint der Chefökonom.
US-Präsident Donald Trump hatte am Wochenende umfangreiche Zölle auf Waren aus Mexiko, Kanada und China verhängt. Zudem kündigte er an, dass dies auch im Fall der Europäischen Union “definitiv passieren” werde. Damit schürte er die Sorge vor einem weltweiten Handelskrieg, der das Wirtschaftswachstum bremsen und die Kosten für die Verbraucher in die Höhe treiben könnte.
Die von Trump verhängten Zölle werden aus Sicht von Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau die wirtschaftliche Unsicherheit weiter erhöhen. Das sei eine sehr besorgniserregende Entwicklung, sagte das EZB-Ratsmitglied. Auf die Frage, ob die Europäische Union entsprechend reagieren sollte, wenn Trump auch die EU mit Zöllen belegt, sagte Villeroy, eine solche Reaktion sei nicht auszuschließen. Er mahnte jedoch zur Vorsicht. “Der Schlüssel liegt darin, unsere Wirtschaft zu stärken.”
Villeroy zufolge wird die EZB wahrscheinlich weitere Zinssenkungen beschließen. Sie hat ihre Lockerungsserie jüngst fortgesetzt. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz wurde am 30. Januar um einen Viertelprozentpunkt niedriger auf 2,75 Prozent gesetzt. Es war bereits die fünfte Zinssenkung, seit die Währungshüter im Juni 2024 die geldpolitische Wende eingeleitet haben.
(Bericht von Reinhard Becker; Mitarbeit Rene Wagner, Frank Siebelt, Klaus Lauer, redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)