– von Holger Hansen
Berlin (Reuters) – Eineinhalb Wochen vor der Bundestagswahl setzen die Grünen vor allem auf ihr Kernthema Klimaschutz, um ihre Wählerschaft zu mobilisieren.
“Der Wahlkampf biegt jetzt auf die Schlussgerade ein”, sagte Habeck am Mittwoch bei der Vorstellung einer Zukunftsagenda. Klimaschutz sei “das Zukunftsthema”. Er warf Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz vor, in ihrem sogenannten TV-Duell sei Klimaschutz kaum vorgekommen. Das von der Grünen-Politikerin Annalena Baerbock geführte Auswärtige Amt veröffentlichte eine Studie zur Bedeutung der Klimapolitik. “Die Klimakrise ist die größte Sicherheitsgefahr unserer Zeit”, sagte Baerbock.
Bildung, Klima und wirtschaftliche Entwicklung bezeichnete Habeck als Zukunftsthemen, die im Wahlkampf zu kurz gekommen seien. Seine Zukunftsagenda zur Umsetzung im ersten Jahr einer neuen Bundesregierung fasst auf acht Seiten bekannte Positionen zusammen. Darunter sind die Stärkung des Klimaschutzes und Senkung der Stromkosten, aber auch eine Festschreibung des Rentenniveaus bei mindestens 48 Prozent und ein “schrittweise steigender Mindestlohn von zunächst 15 Euro in 2025”. Damit würde sich Habeck über den derzeit geltenden gesetzlichen Mechanismus für die Mindestlohnkommission hinwegsetzen.
HABECK SIEHT FÜR UNION “VERDAULICHEN WEG” BEI SCHULDEN
In Umfragen rangieren die Grünen bei Werten von 13 bis 15 Prozent. Einzige Regierungsoption wäre demnach ein Bündnis mit CDU und CSU. Eines der größten Konfliktthemen wären die Fiskalpolitik und Steueranreize zur Ankurbelung der Wirtschaft. Die Grünen setzen auf einen aus Schulden finanzierten Deutschlandfonds im Volumen von bis zu 500 Milliarden Euro für zehn Jahre. Die Union plant dagegen umfassende Steuersenkungen. “Dann kann man hoffen, dass die Leute, wenn sie weniger Steuern zahlen, das Geld, das sie gespart haben, nutzen, um zu investieren”, sagte Habeck. “Kann auch schiefgehen.” Die Grünen wollten daher Investitionen mit Steuerprämien belohnen.
“Beide haben wir aber das Problem, dass das vorfinanziert werden muss”, sagte Habeck mit Blick auf die Unions-Pläne. Zur Aufnahme höherer Schulden hält er eher eine Einigung auf sogenannte Sondervermögen als auf eine Reform der Schuldenbremse für wahrscheinlich. “Der verdaulichste Weg ist, über Sondervermögen zu gehen”, sagte Habeck. Dies seien begrenzte Finanzpakete. Eine Reform der Schuldenbremse mit Ausnahmen für Investitionen halte er für richtig. “Aber sie ist kompliziert und vielleicht, da wir ja eine Zwei-Drittel-Mehrheit brauchen, für einige Leute erst mal, wie soll ich sagen, Renommee behaftet.” Die Grünen schlagen daher aus neuen Schulden finanzierte Sondervermögen wie den Deutschlandfonds vor für Investitionen in die Infrastruktur, in Bildung und zur Vorfinanzierung von Investitionsprämien für die Wirtschaft.
Eine stärkere Betonung des Klimaschutzes sei kein Umschwenken, sondern Planung des Wahlkampfes, hieß es bei den Grünen. Bisher hatte die Partei mit ihrem Spitzenkandidaten soziale und wirtschaftliche Themen wie die Bezahlbarkeit des Alltags in den Vordergrund gestellt, in der Hoffnung, damit breitere Wählerschichten anzusprechen. In der Schlussphase sei es aber üblich, die Stammwählerschaft zu mobilisieren, damit diese auch tatsächlich wählen gingen, hieß es in der Partei.
Er wolle in der Klima- und Energiepolitik “wie ein guter Konservativer Kurs halten”, sagte Habeck. “Wir haben geliefert, keine Experimente.” In der kommenden Regierung wolle er “noch stärker dafür sorgen, dass alle Bürgerinnen und Bürger bei der notwendigen Erneuerung mitgehen können”. In der Asyl- und Flüchtlingspolitik sieht Habeck seine Partei hinter sich. Berichte über eine Abschwächung von Formulierungen zur Begrenzung der Migration bezeichnete er als Wortklauberei. In seiner Zukunftsagenda heißt es, es brauche “Schritte, Migration weiter zu ordnen”. Habeck ergänzte: “Wenn man eine Bewegung – Migration – steuert, dann dämmt man sie ein oder begrenzt sie.”
(Bericht von Holger Hansen, redigiert von Kerstin Dörr Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)