Marine-Tochter hält Thyssenkrupp über Wasser

– von Tom Käckenhoff und Christoph Steitz

Düsseldorf/Frankfurt (Reuters) – Der Industriekonzern Thyssenkrupp hat im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres sein operatives Ergebnis gesteigert und dabei von Milliardenaufträgen der Marine-Tochter profitiert.

Der bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) sei auch dank besserer Ergebnisse im Stahlgeschäft auf 191 Millionen Euro von 84 Millionen im Vorjahr gestiegen, teilte das Unternehmen am Donnerstag mit. Der am Markt vielbeachtete Free Cashflow vor M&A stand zwar mit minus 21 Millionen Euro in den Büchern, ein Jahr zuvor hatte der Ruhrkonzern aber hier noch ein Minus von 531 Millionen Euro in der Bilanz.

Unterstützt worden sei der jetzige Wert durch Anzahlungen in Höhe von einer Milliarde Euro für ein Großprojekt bei Marine Systems. Im Gesamtjahr erwarte der Konzern nun beim Free Cashflow vor M&A einen positiven Wert von bis zu 300 Millionen Euro. Bislang hatte das Management mit minus 200 bis 400 Millionen Euro gerechnet. Die Aktie von Thyssenkrupp legte zeitweise um 11 Prozent zu.

Das lange Zeit eher stiefmütterlich behandelte Marine-Geschäft beschäftigt rund 8.000 Mitarbeiter auf den drei Werften Kiel, Wismar und Itajai in Brasilien. Diese sorgten für Glanz im ersten Quartal. Der Auftragsbestand von Marine Systems kletterte

auf einen Rekordwert von mehr als 16 Milliarden Euro. Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) hatte in den vergangenen Monaten mehrere milliardenschwere U-Boot-Aufträge an Land gezogen. Der kriselnde Mutterkonzern in Essen hat das Geschäft schon länger zur Disposition gestellt. Im vergangenen Jahr waren Gespräche über einen Verkauf an den US-Finanzinvestor Carlyle gescheitert.

Durch die Großaufträge im Marine-Segment legte der Auftragseingang des Gesamtkonzerns im Quartal um mehr als 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 12,5 Milliarden Euro zu. Der Konzernumsatz ging auch wegen einer schwächeren Nachfrage und sinkender Preise auf 7,8 Milliarden Euro nach zuvor 8,2 Milliarden Euro zurück.

LOPEZ STREBT FÜR STAHL UND MARINE 2025 ENTSCHEIDUNGEN AN

Thyssenkrupp will bei der Verselbstständigung der Marine-Tochter nicht mehr zweigleisig fahren und setzt auf eine Abspaltung. “Unser Pfad ist jetzt ein Spin-off”, sagte Finanzchef Jens Schulte. Es habe zwar ein großes Interesse an dem Geschäft gegeben. “Wir haben das alles bewertet und wir haben für uns entschieden, dass wir aber bei dem Spin-off bleiben.” Da zunächst nur ein Minderheitsanteil abgespaltet werde, benötige der Konzern auch nicht die Zustimmung der Bundesregierung.

Vorstandschef Miguel Lopez erklärte, dass mit Entscheidungen bei Stahl und Marine noch im Kalenderjahr 2025 zu rechnen sei. Thyssenkrupp bleibe bei der notwendigen Transformation mit Entschlossenheit auf Kurs. Dies gelte insbesondere auch für die Stahlsparte. Auf der Grundlage des vom Stahlvorstand vorgesehenen Geschäftsplans werde Steel Europe als eigenständiges und leistungsstarkes Stahlunternehmen neu aufgestellt.

Lopez spricht seit Monaten mit dem tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky über die Veräußerung von weiteren 30 Prozent nach dem Verkauf von 20 Prozent. Zunächst müssten sich aber der Stahlvorstand und die Arbeitnehmervertreter auf eine Restrukturierung einigen, erklärte Lopez. Er will im Stahlgeschäft – der Herzkammer des Konzerns – 11.000 von derzeit 27.000 Stellen abbauen oder auslagern. Die IG Metall fordert den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen und auf Standortschließungen.

(Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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