Auto fährt in Menschenmenge – 28 zum Teil Schwerverletzte

– von Jörn Poltz und Holger Hansen

München (Reuters) – Zehn Tage vor der Bundestagswahl sind bei einem mutmaßlichen Anschlag mit einem in eine Menschenmenge gelenkten Auto in München mindestens 28 Menschen verletzt worden.

“Es handelt sich wohl mutmaßlich um einen Anschlag”, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Donnerstag in einer ersten Stellungnahme am Ort des Geschehens. Bei dem festgenommenen Fahrer des Kleinwagens handelte es sich nach Polizeiangaben um einen 24-jährigen Asylbewerber aus Afghanistan. Er steuerte den weißen Mini-Cooper an einem Polizei-Fahrzeug vorbei offenbar gezielt in das Ende eines Demostrationszugs der Gewerkschaft Verdi. Ein Zusammenhang mit der am Freitag beginnenden Sicherheitskonferenz, zu der zahlreiche Spitzenpolitiker erwartet werden, war laut Polizei nicht erkennbar.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wie auch Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz äußerten sich bestürzt. Der mutmaßliche Anschlag ist der dritte innerhalb weniger Wochen. Kurz vor Weihnachten 2024 war ein Mann aus Saudi-Arabien in Magdeburg mit seinem Auto in den Weihnachtsmarkt gefahren und hatte sechs Menschen getötet. Der Anschlag hatte ebenso wie ein Messerangriff in Aschaffenburg durch einen ausreisepflichtigen Afghanen mit zwei Toten am 22. Januar die Debatte über die Flüchtlings- und Asylpolitik verschärft und zu einem der wichtigsten Themen im Bundestagswahlkampf werden lassen.

“Dieser Täter kann nicht auf irgendeine Nachsicht rechnen”, sagte Scholz am Rande einer Wahlkampfveranstaltung. “Er muss bestraft werden. Und er muss das Land verlassen.” Merz erklärte via Kurzmitteilungsplattform X, es müsse sich etwas ändern in Deutschland: “Die Sicherheit der Menschen in Deutschland wird für uns an erster Stelle stehen. Wir werden Recht und Ordnung konsequent durchsetzen.” Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck schrieb via X, er sei “entsetzt angesichts dieser sinnlosen Tat”. Die Hintergründe müssten schnell aufgeklärt werden. AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel sprach von einem “Terror-Fahrer von München”. Sie forderte “Migrationswende jetzt!”.

MUTMASSLICHER TÄTER WAR MIT BETÄUBUNGSMITTELN AUFGEFALLEN

Der mutmaßliche Täter näherte sich laut Polizei von hinten einem von der Polizei abgesicherten Demonstrationszug der Gewerkschaft Verdi, überholte ein Polizeifahrzeug, beschleunigte und fuhr in das Ende der Versammlung. “Auf das Fahrzeug ist einmal geschossen worden”, sagte Polizei-Vizepräsident Christian Huber auf der Pressekonferenz mit Söder. Die Polizei habe den Täter gestellt und festgenommen. “Wir gehen momentan davon aus, dass wir mindestens 28, teils schwerverletzte Personen haben.”

Der Mann war der Polizei nicht völlig unbekannt: “Nach gegenwärtigem Stand wissen wir, dass der Täter schon mit Betäubungsmitteln und mit Ladendiebstählen aufgefallen ist. Näheres wird noch ermittelt.” Die Ermittlungen übernahm die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus bei der Generalstaatsanwaltschaft München.

KINDERWAGEN DURCH AUFPRALL ZERSTÖRT

Bei dem Kleinwagen war die Front schwer beschädigt. Der rechte Kotflügel des Autos war zertrümmert. Windschutzscheibe und Dach waren eingedrückt. Um den Wagen herum lagen verstreut Kleidungsstücke, Schuhe und Verdi-Fahnen. Auch die Reste eines stark zerdrückten Kinderwagens waren erkennbar.

“Es ist einfach furchtbar, meine Damen und Herren, wenn man die Nachricht bekommt, dass wieder jemand mit einem Auto in eine Menschenmenge gefahren ist”, sagte Söder. “Wir können nicht von Anschlag zu Anschlag gehen und Betroffenheit zeigen.” Verdi-Chef Frank Werneke äußerte sich bestürzt. Es habe sich um einen friedlichen Demonstrationszug gehandelt. Laut Polizei gab es etwa 1500 Teilnehmende an der Demonstration zu den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst.

In München läuft derzeit unter hohen Sicherheitsvorkehrungen die Sicherheitskonferenz an, zu der hochrangige Gäste aus dem In- und Ausland erwartet werden. Sie beginnt am Freitag. Bereits am Donnerstag wurden US-Vizepräsident JD Vance und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erwartet. Die Polizei ging nicht von einem Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Anschlag aus. “Also augenscheinlich kann ich im Moment keinen Zusammenhang mit der Münchner Sicherheitskonferenz erkennen”, sagte Polizeisprecher Thomas Schelshorn.

(geschrieben von Holger Hansen, redigiert von Christian Rüttger; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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