Währungshüter sinnieren über Linie der EZB: Wird Konjunktur noch gebremst?

London/Frankfurt (Reuters) – Der Leitzins im Euroraum ist nach Ansicht von EZB-Direktorin Isabel Schnabel auf dem jetzigen Niveau womöglich keine Konjunkturbremse mehr.

“Es wird zunehmend unwahrscheinlicher, dass die derzeitigen Finanzierungsbedingungen Konsum und Investitionen wesentlich bremsen”, sagte Schnabel am Dienstag in London. Die Tatsache, dass das Wachstum weiterhin gedämpft bleibe, könne nicht als Beleg dafür herhalten, dass die Geldpolitik restriktiv sei. Schnabel hatte jüngst vorgeschlagen, die Währungshüter der Europäischen Zentralbank (EZB) könnten eine Debatte darüber beginnen, wann sie ihren Zinssenkungskurs pausieren oder stoppen sollten. Die EZB war im Juni 2024 angesichts einer nachlassenden Inflation auf einen Lockerungskurs umgeschwenkt und hat seitdem fünfmal die Zinsen gesenkt. Die Notenbank entscheidet am 6. März wieder über den Leitzins, der aktuell bei 2,75 Prozent steht.

“Das ist wohl nicht mehr weit entfernt vom neutralen Zinsniveau”, sagte Bundesbankchef Joachim Nagel mit Blick auf eine geldpolitische Linie, mit der die Wirtschaft weder befeuert noch gebremst wird. Doch sei dieses neutrale Niveau nicht genau zu bestimmen. Er bezeichnete den Preisausblick als “insgesamt recht ermutigend”. Die unvermindert starken Preissteigerungen bei Dienstleistungen mahnten jedoch zur Vorsicht, warnte Nagel bei der Vorstellung des Geschäftsberichts der Bundesbank.

SIGNALE STEHEN AUF LOCKERUNG

Auch transatlantische Handelsspannungen könnten Inflationsgefahren heraufbeschwören: “Sollte sich Europa genötigt sehen, auf protektionistische Maßnahmen mit Gegenzöllen zu reagieren, wäre dies mit steigenden Importpreisen verbunden – ebenso mit einer weiteren Abwertung des Euro”, sagte Nagel.

Laut aktuellem Datenstand dürfte die EZB im Laufe des Jahres ihr mittelfristiges Inflationsziel von zwei Prozent erreichen, so der Bundesbankpräsident: “Das würde es uns im EZB-Rat erlauben, die Leitzinsen weiter zu senken.” Angesichts der jüngsten Inflationserfahrung und der erhöhten Unsicherheit sei es geldpolitisch ratsam, einen Schritt nach dem anderen zu machen und mit Blick auf weitere Zinssenkungen nichts zu überstürzen: Im gegenwärtig unsicheren Umfeld bringt es nichts, öffentlich zu spekulieren, wo wir im Sommer oder am Jahresende zinspolitisch stehen”, fügte er hinzu. Der französische Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau hatte jüngst gesagt, die EZB könne ihren Einlagensatz bis zum Sommer auf zwei Prozent senken.

(Bericht von Reinhard Becker, Francesco Canepa, redigiert von Ralf Banser; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

tagreuters.com2025binary_LYNXNPEL1O0IV-VIEWIMAGE